Diesem Buch habe ich ja mit einer Mischung aus
großer Neugier und einem gewissen Mißtrauen entgegengesehen, und dann haben mich einige von euch ganz schön neugierig gemacht. Aber fangen wir mal mit der Inhaltsangabe an: Keely McKay ist eine umtriebige Endzwanzigerin, die es in den letzten paar Jahren nicht nur geschafft hat, sich quer durch ihre Heimat Wyoming und die umliegenden Bundesstaaten zu vögeln, sondern die auch ein historisches Gebäude gekauft hat, in dem sie nun eine Praxis für Physiotherapie eröffnen möchte. Jetzt braucht sie einen Architekten mit bestimmten Qualifikationen, der überwacht, daß das denkmalgeschützte Gebäude sach- und fachgerecht umgebaut wird. Ohne es zu wissen, engagiert sie dafür ausgerechnet Jack Donohue, den besten Freund eines ihrer Brüder, den sie seit einem schicksalhaften Vorfall auf der Hochzeitsfeier eines anderen ihrer zahlreichen Brüder verabscheut. Jack selber will unbedingt einen Auftrag von einer äußerst konservativen Firma in einem anderen Bundesstaat bekommen, aber dafür muß er verheiratet oder verlobt sein (WTF??). Und so macht er Keely ein Angebot, das diese nicht ablehnen kann: sie wird für einige Wochen vorgeben, seine Verlobte zu sein, und er wird dafür sorgen, daß sie ihr denkmalgeschütztes Haus umbauen kann. Doch schon bald weiß keiner mehr genau, ob die Verlobung echt oder vorgetäuscht oder irgendwas dazwischen ist.
Wenn ich mich kurz fassen wollte, würde ich All Jacked Up wie folgt beschreiben:
Peter Steiners Theaterstadl meets
Die Waltons meets
Wrong Turn (nur daß die gemeingefährlichen Hinterwäldler ihre Bösartigkeit und Gewalttätigkeit hier nicht durch widerwärtiges Aussehen signalisieren). Aber wann fasse ich mich schon mal kurz?
Und, ach ja: die Spoiler kann ich mir bestimmt auch wieder nicht verkneifen.
Das erste, was mich an dem Buch gestört hat, ist die Tatsache, daß die Voraussetzung für die Geschichte völlig an den Haaren herbeigezogen ist. Selbst wenn man davon ausgeht, daß Jack unbedingt Keely als Scheinverlobte braucht - warum müssen seine und ihre Familie denn auch denken, daß die beiden tatsächlich verlobt sind? Dafür gibt es an keiner Stelle eine Erklärung. Es dient einfach nur als Begründung dafür, warum Jack in Keelys Wohnung einziehen muß.
Wenn das das einzige Problem gewesen wäre, hätte ich mich immer noch zurücklehnen und das Buch genießen können. Leider war es das aber nicht.
Keely ist eine Person, die mir im wirklichen Leben fürchterlich auf den Geist gehen würde. Sie braucht nämlich ständig Action und liebt es, sonntags früh aufzustehen, zur Farm ihrer Eltern zu fahren und dort ein paar Stunden lang auf ihrem Pferd zu reiten, bevor sie den Stall ausmistet. Eine gräßliche Vorstellung. Aber die Sache mit dem Stall ausmisten bringt mich - immerhin soll das ja ein erotischer Liebesroman sein - zu der Stelle, die mir schon früh die Freude an dem Buch endgültig vermiest hat.
An dem beschriebenen Sonntag fährt unsere Heldin also zur Farm ihrer Eltern, reitet einige Stunden lang auf ihrem Pferd Rosa hin und her und bemerkt dabei nicht nur, daß sie zu warm angezogen ist und schwitzt wie ein Schwein, sondern sie denkt auch an all die nützlichen Dinge, die sie von ihren Brüdern und ihrem Vater gelernt hat: sie kann jede erdenkliche Erntemaschine bedienen (praktisch! Bei Bauer sucht Frau wäre sie heiß umworben), reiten und Viecher mit dem Lasso einfangen, Kühen bei der Geburt helfen, Zäune reparieren und Angeln, Kühe impfen, Sterne deuten, ein Lagerfeuer machen, Bullen aussuchen und bei Kühen Schwangerschaftstests durchführen, Hirsche auseinandernehmen, Billard spielen, Motorrad fahren, sich selbst Bier aus Trichtern einflößen (wenn ich das mit dem beer bong richtig verstanden habe), Kautabak kauen, Wasserski fahren, Elektrowerkzeuge betreiben, ihre eigene Munition herstellen und schießen, Schafe scheren, einen LKW mit Gangschaltung fahren, beim Kartenspiel betrügen und vieles mehr. Tja, Keely ist zweifellos die Wucht in Tüten, auch wenn sie Jeans mit Fransen an der Seitennaht trägt.
Nach dem Reiten räumt Keely den Stall von ihrem Papa auf, als plötzlich Jack mit einem Tortenheber auftaucht. Die beiden zanken sich ein bißchen über nichts, dann wirft Keely einen Cowboystiefel nach ihm, doch leider trifft sie ihn nicht, und auch das unvergleichliche Aroma, das so ein Cowboystiefel sicherlich nach mehreren Stunden des Gebrauchs und Stapfens durch Pferdemist von sich gibt, kann unseren wackeren Jack nicht umhauen. Jack verkündet, er werde Keely mit dem Tortenheber den Hintern versohlen. Bei der anschließenden Verfolgungsjagd verliert er leider seinen Tortenheber und fühlt sich genötigt, Keely mit bloßen Händen zu verprügeln. Das turnt beide so sehr an, daß sie es anschließend miteinander treiben. (Wir erinnern uns:
Sie stinkt und
er hat sie gerade verprügelt). Anschließend sind sich beide einig, daß der Sex noch viel toller als sonst war, weil sie kein Kondom benutzt haben. Boah, ekelig. Wenn man bedenkt, daß sich die gute Keely der Legende nach einmal quer durch den mittleren Westen geschlafen hat, ist das ja in etwa das gleiche, als würde man sich an einer französischen Autobahnraststätte auf die Toilette setzen (die sind total widerwärtig, glaubt mir), ohne die vorher mit Sagrotan abzuwischen! Wäre nicht wenigstens ein kurzer Dialog à la: "Du hast doch keine fiesen Krankheiten, oder?" - "Ne, keine Panik, der Arzt hat gesagt, meine Syphilis ist geheilt" drin gewesen? Und warum Keely Jack an dieser Stelle nicht erst einen Tritt in den Schritt verpaßt und ihn dann rausschmeißt, habe ich auch nicht verstanden.
Aber okay, jedem Tierchen sein Plaisierchen, und wenn Jack und Keely nun mal eben auf Schläge stehen, sei es ihnen gegönnt. Obwohl ein Wort der Warnung auf dem Buchumschlag nicht verkehrt gewesen wäre; schließlich drucken die Amerikaner sogar Warnungen vor "explicit lyrics" auf CDs, wenn in einem der Lieder darauf mal ein schlimmes Wort vorkommt.
Nachdem sie diese Szene geschrieben hatte, hat die Autorin höchstwahrscheinlich erstmal mit 'nem Becherchen Jack Daniels gegurgelt, dann selbstzufrieden gegrinst und sich gesagt: schlimmer geht immer. Und genauso ist es auch.
Jack ist nach sagenhaften 24 Stunden seiner Scheinverlobung zu dem Schluß gekommen, daß Keely sein Eigentum ist und reagiert daher äußerst ungehalten, als er feststellt, daß sie nicht jedesmal sofort springt, wenn er mit den Fingern schnippt. Schlimmer noch: Keelys Papa ermutigt sie in ihrer Aufmüpfigkeit.
Jack couldn't believe Carson was encouraging his daughter to blatantly oppose him. He was her fiancé for Christsake. Keely had better realize early on that their relationship took precedence over every other relationship in her life.
Wenig später hat Jack hat einen Auftritt, der ihn für "America's next Top-Neandertaler" qualifizieren würde, wenn's diese Sendung gäbe. Da hält er sich gerade in einer Kneipe auf und quatscht mit irgendwem (einem von Keelys zahlreichen Brüdern?) darüber, wie unglaublich wundervoll Keely ist, und daß sie sich eigentlich nur durch ihre Cowboystiefel von Mutter Theresa unterscheidet. Plötzlich sieht er, daß Keely mit einem anderen Typen tanzt. Das geht natürlich gar nicht! Jack schlägt Keelys Tanzpartner in die Flucht, und da wohl gerade keine Höhle in der Nähe ist, schleppt er sie stattdessen in die Herrentoilette des Etablissements, wo sie, wie sollte es anders sein, wild und leidenschaftlich Liebe machen. Sexy! Ich wette, Keely kann nie wieder den Geruch von Urin, altem Schweiß und abgestandenem Bier riechen, ohne daß es sie antörnt.
Und so geht es immer weiter. Jack nimmt Keely zu einer Art Architekten-Kongreß mit, wo sie von seiner Ex-Freundin blöd angemacht wird. Keely hat deswegen einen Heulsusen-Moment und türmt. Bei der nächsten blöden Anmache durch selbige Ex-Freundin erzählt Keely dieser alles mögliche, was dazu führt, daß Jack seinen heißbegehrten Auftrag verliert.
Jack böse. Keely traurig. Was macht eine echte Wymomingianerin (nennt man das so?), wenn sie geknickt ist? Ganz klar, sie geht campen. Keelys unzählige Brüder wollen auch in die Neandertaler-Sendung, oder vielleicht sehen sie endlich einmal eine Gelegenheit, ihren großen Vorbildern, den eingangs erwähnten bösartigen Hinterwäldlern aus "Wrong Turn" nachzueifern. Jedenfalls verprügeln sie Jack, fesseln und knebeln ihn, und bringen ihn zu Keelys Schlafplatz in der Wüste. Ihr Papa kommt da auch hin und schimpft ein bißchen. Keely sagt, daß sie Jack zurücknimmt. Happy End.
An diesem Buch stimmt einfach alles
nicht. Wenn Keely so eine tolle, kluge, selbstbewußte Frau ist, warum will sie dann einen herrschsüchtigen Höhlenmenschen wie Jack? Warum bricht sie dann in Tränen aus, wenn dessen Ex-Freundin, deren Meinung ihr völlig schnurz sein kann, böse zu ihr ist? Warum legt niemand mehr als eine gewisse, sehr milde Form von Empörung darüber an den Tag, daß Keelys Brüder sich in alles einmischen und ihren Lover am Ende sogar verprügeln? Und vor allem: warum verklagt Jack die Typen nicht auf Schmerzensgeld, macht sich mit der Kohle ein schönes Leben und sucht sich eine Freundin, die weder Jeans mit Fransen trägt noch Countrymusik hört?
Gibt es in Rumänien wirklich Landminen, denen kleine Kinder zum Opfer fallen, wenn sie vor ihren drogenumnebelten Rabeneltern weglaufen? Heißen rumänische Mädchen Liesl? Und last but auf keinen Fall least: gibt es in Amerika wirklich Ziegen-Rodeos? (Nein, ich habe nicht versehentlich 'ne Flasche Domestos getrunken und ein paar Gummibaumblätter geraucht. Diese Dinge kommen tatsächlich in dem Buch vor).
Fragen über Fragen, aber die Antworten darauf interessieren mich wohl doch nicht genug, um noch ein weiteres Buch dieser Autorin zu lesen. Und wenn ich mich das nächste mal vor ekligen, bösartigen Hinterwäldlern fürchten möchte, gucke ich mir lieber einen Horrorfilm wie Wrong Turn an.