In Westdeutschland im Jahr 825 (damals offenbar verwirrenderweise als Sachsen bezeichnet) haben es die Landbevölkerung im Allgemeinen und Inga, die Heldin des Buchs im Besonderen, nicht leicht: das Leben ist hart, jeder Krümel Nahrung muß dem Land unter großen Mühen abgerungen werden, und obendrein hat Karl der Große angeordnet, daß alle seine Untertanen Christen werden, obwohl diese darauf durchaus keinen gesteigerten Wert legen. Inga selbst hat gegen den Willen ihrer Familie Rothger, den Besitzer eines Bauernhofs, geheiratet. Nachdem die Ehe kinderlos blieb, hat sich Rothger eine Nebenfrau zugelegt, und so hat Inga einen schweren Stand in der Familie, besonders als Rothger plötzlich ums Leben kommt. Zunächst kann Inga auf dem Bauernhof bleiben, doch es gibt noch andere unerklärliche Todesfälle. Schon bald ist von Hexerei die Rede; Inga muß den Hof von Rothgers Familie verlassen und nach einer Zeit, in der sie sich allein in einer kleinen Hütte als kräuterkundige Heilerin durchschlägt, muß sie sogar ganz aus der Gegend in die nächstgelegene Kleinstadt fliehen. Neben dem Kampf ums Überleben hat es Inga auch mit der Liebe nicht leicht: sie verliebt sich ausgerechnet in einen der beiden Mönche, die in ihrer Heimat darauf achten sollen, daß die Landbevölkerung nicht zu ihren heidnischen Sitten und Gebräuchen zurückkehrt (was diese natürlich dennoch macht).
Als ich mir das Buch kaufte, hatte ich ja die größten Bedenken wegen des Klappentextes. Zum Glück waren meine Befürchtungen unbegründet: es gibt keine haarsträubendenden Grammatik- und Rechtschreibfehler darin. Allerdings muß das so eine Art "jetzt 20 % mehr in der Packung"-Aktion gewesen sein. Na gut, soviel ist es nicht, aber die Seiten 417 - 448 sind doppelt. Demzufolge müßte die nächste Auflage des Buchs, wenn es darin keine doppelten Seiten mehr gibt, um ca. 6,5 % (bei einer Gesamtstärke von 479 Seiten) günstiger sein, außer natürlich, wenn die Papierpreise bis dahin steigen...aber da kommt wieder die Einkäuferin bei mir durch.
Also, das Buch. Simone Neumann hat einfach eine packende und spannende Art zu schreiben, wie ich finde. Der Grundton des Buches ist, genau wie in "Des Teufels Sanduhr" auch wieder sehr düster, was natürlich angesichts der Situation, in der sich die handelnden Personen befinden, kaum anders möglich ist. Sie leben in einer Zeit in der jeder, der nichts besitzt, quasi rechtlos ist und in der man von einer Minute zur anderen ohne Vorwarnung alles verlieren kann.
Inga, die Heldin und Agius, der Mönch, in den sie sich verliebt, sind als Protagonisten recht interessant, wobei der Leser Agius weitaus weniger gut kennenlernt als Inga. Die beiden sind sehr unterschiedlich: Inga ist weitestgehend eine Pragmatikerin, die so handelt, wie es die Situation erfordert. Solche Leute schätze ich ja sowohl im wirklichen Leben als auch als Buchcharaktere sehr. Gelegentlich stürzt sie sich jedoch auch durch unbedachte Handlungen ins Unglück; eine dieser unbedachten Handlungen war es beispielsweise, daß sie sich mit ihrem verstorbenen Mann eingelassen hat und dadurch von ihrer Familie verstoßen wurde. Inga hat ein Gewissen und einige Prinzipien, denen sie folgt, aber sie kann durchaus nicht in die Kategorie "edle Heldin" eingeordnet werden: nicht selten ist sie berechnend und versucht, andere zu ihrem Vorteil zu manipulieren. Wer könnte es ihr verdenken?
Agius ist im Gegensatz zu Inga weitgereist und gebildet. Er ist Mönch aus Überzeugung, der andere gern mal wegen Verstößen gegen offizielle oder auch inoffizielle Gebote des Mönchslebens zur Ordnung ruft; aber er selbst kann sich die eine oder andere Sünde auch nicht verkneifen. Das fängt damit an, daß er grundsätzlich davon überzeugt ist, immer recht zu haben, geht damit weiter, daß er sich gelegentlich mit höhergestellten Persönlichkeiten anlegt, und endet damit, daß er sich in Inga verliebt, was natürlich absolut tabu ist.
Auch die Nebenfiguren sind interessant. Da ist beispielsweise Agius' Mönchskumpel Melchior, der es liebt, Insekten zu beobachten und der sich gegen alle Wahrscheinlichkeit mit Ingas Freundin Gunda, einer eingefleischten Heidin, anfreundet. Berta und Gisela, Ingas Schwägerinnen, sind die Paris Hilton und Nicole Richie des frühen Mittelalters, nur in ungewaschen. Weitere Verwandte von Inga und Rothger spielen ebenso eine Rolle wie der Mörder, der sich irgendwo in den Wäldern versteckt und nichtsahnende Passanten entführt oder ums Leben bringt. Dieser Mörder hat einen Plan, aber als man versucht, ihm auf die Schliche zu kommen, ist es schon fast zu spät.
Mein einziger Kritikpunkt an dem Buch ist, daß man den Protagonisten nicht richtig nahe kommt. Es gibt Bücher, die so gut geschrieben sind, daß man quasi im Kopf des Helden ist: man ist glücklich, wenn er glücklich ist, friert, wenn ihm kalt ist, und erschrickt, wenn ihm etwas unerwartetes zustößt. Hier liest man beispielsweise: Inga wird vom Hof gejagt; aha. Wat nu? Aber man leidet eben nicht mit ihr.
Trotzdem ist Die Schlüsselträgerin ein spannendes Buch, das in einer Zeit spielt, die selten als Hintergrund für Romane dient. Das macht es interessant. Ich bin schon sehr gespannt, wann und wo das nächste Buch von Simone Neumann spielen wird.
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Mittwoch, 16. März 2011
Sonntag, 28. Februar 2010
Jörg Kastner: Die Tulpe des Bösen
Amsterdam im Jahre 1671: der große, durch das Tulpenfieber verursachte Börsencrash im Jahr 1637 ist schon viele Jahre her, und noch immer kann die Tulpe Kontroversen auslösen: es gibt einen Club der Tulpenfreunde, doch es gibt auch Tulpenhasser. Als einige hochangesehene Mitglieder des Clubs der Tulpenfreunde ermordet werden, führt Inspektor Jeremias Katoen die Ermittlungen: wer könnte es auf diese Männer abgesehen haben? Und was haben die geheimnisvollen Aufzeichnungen eines ehemaligen Kreuzritters mit dem Fall zu tun, von denen Jeremias zunächst nur weiß, daß sie verschwunden sind?
Das Buch bekommt auf jeden Fall schon mal Sonderpunkte für die besonders haarsträubende, abgefahrene Verschwörung von mir, die, wie sich am Ende des Buches herausstellt, zu den Morden geführt hat. Junge Junge, das hat mir wirklich die Schuhe ausgezogen. Davon abgesehen fand ich das Buch ganz unterhaltsam, aber nicht überragend. Der Schreibstil ist ein bißchen zu gemächlich für meinen Geschmack, da hätte etwas mehr Action nicht geschadet. Jeremias Katoen und seine Zeitgenossen sind größtenteils ganz gut beschrieben und auch ganz sympathisch, wobei ich mit den weiblichen Charakteren - besonders mit der Dame, mit der sich Jeremias zum Schluß zusammentut - nicht so sehr warm werden konnte. Die fand ich schon sehr spröde. Und vor allem tut sie etwas dummes, verbrecherisches, womit ich gar nicht einverstanden war und was sie mir unsympathisch machte.
Interessant war die Beschreibung Amsterdams im 17. Jahrhundert, diesen Handlungsort findet man ja wirklich nicht allzu oft. Es wird auch sehr anschaulich beschrieben, von den prachtvollen Häusern der wohlhabenden Bürger bis zu den üblen Stadtvierteln, in denen sich die finstersten Gestalten herumtreiben.
Insgesamt hat mir das Buch gefallen, ich habe ja eine Schwäche für haarsträubende Verschwörungen. Aber es müßte doch noch ein klein wenig spannender geschrieben sein und nettere - oder zumindest interessantere - weibliche Charaktere haben, um für mich zum Lieblingsbuch zu werden.
Übrigens: Das Buch habe ich als Teil der "Ich bilde mich weiter"-Challenge gelesen! (Allerdings hätte ich es auch ohne Challenge gelesen. Ich liebe historische Romane).
Das Buch bekommt auf jeden Fall schon mal Sonderpunkte für die besonders haarsträubende, abgefahrene Verschwörung von mir, die, wie sich am Ende des Buches herausstellt, zu den Morden geführt hat. Junge Junge, das hat mir wirklich die Schuhe ausgezogen. Davon abgesehen fand ich das Buch ganz unterhaltsam, aber nicht überragend. Der Schreibstil ist ein bißchen zu gemächlich für meinen Geschmack, da hätte etwas mehr Action nicht geschadet. Jeremias Katoen und seine Zeitgenossen sind größtenteils ganz gut beschrieben und auch ganz sympathisch, wobei ich mit den weiblichen Charakteren - besonders mit der Dame, mit der sich Jeremias zum Schluß zusammentut - nicht so sehr warm werden konnte. Die fand ich schon sehr spröde. Und vor allem tut sie etwas dummes, verbrecherisches, womit ich gar nicht einverstanden war und was sie mir unsympathisch machte.
Interessant war die Beschreibung Amsterdams im 17. Jahrhundert, diesen Handlungsort findet man ja wirklich nicht allzu oft. Es wird auch sehr anschaulich beschrieben, von den prachtvollen Häusern der wohlhabenden Bürger bis zu den üblen Stadtvierteln, in denen sich die finstersten Gestalten herumtreiben.
Insgesamt hat mir das Buch gefallen, ich habe ja eine Schwäche für haarsträubende Verschwörungen. Aber es müßte doch noch ein klein wenig spannender geschrieben sein und nettere - oder zumindest interessantere - weibliche Charaktere haben, um für mich zum Lieblingsbuch zu werden.
Übrigens: Das Buch habe ich als Teil der "Ich bilde mich weiter"-Challenge gelesen! (Allerdings hätte ich es auch ohne Challenge gelesen. Ich liebe historische Romane).
Sonntag, 14. Februar 2010
Anna Davis: The Jewel Box
London im Jahr 1927: Grace Rutherford arbeitet als eine der ersten weiblichen Werbetexterinnen bei einer Werbeagentur, doch insgeheim hat sie einen Nebenjob: sie schreibt als Diamond Sharp für eine große Londoner Tageszeitung eine Kolumne über das Londoner Nachtleben, Mode, was in und was out ist usw. Mit ihrer Arbeit unterstützt sie ihre Mutter, ihre verwitwete Schwester und deren Kinder. Dann lernt sie zwei faszinierende Männer kennen: den amerikanischen Schriftsteller Dexter O'Connell und den ebenfalls amerikanischen Journalisten John Cramer, den ein tragisches Geheimnis mit seinem Feind Dexter verbinden zu scheint...
Ich habe mir das Buch hauptsächlich wegen seines aufregenden und faszinierenden Handlungsortes ausgesucht: London! In den 20er Jahren, kurz vor dem Börsencrash! Wenn die Autorin das Buch wirklich gut recherchiert hat und die 20er Jahre in London tatsächlich so waren, wie sie hier beschrieben werden, muß ich sagen, daß ich wirklich überrascht war. Das Leben der Charaktere wirkt in vieler Hinsicht kaum anders als unser heutiges. Wer mit jemandem sprechen will, ruft ihn einfach an, wer irgendwo hinwill, nimmt das Auto oder ein Taxi oder auch die öffentlichen Verkehrsmittel...und Frauen dürfen (fast) alles, was Männer dürfen. Außer am Arbeitsplatz, denn da bekommt Grace mächtigen Ärger, obwohl sie eigentlich nichts schlimmeres macht als ihre männlichen Kollegen. Da bin ich schon sehr froh, daß das heute anders ist.
Trotzdem: mit den Erzählungen meiner Großmutter aus dieser Zeit oder auch meiner Mutter aus ihrer Jugend (meine Mutter ist Jahrgang 1940) hat das alles recht wenig gemeinsam: bis in die späten 40er oder frühen 50er Jahre des 20. Jahrhunderts hatte kaum jemand ein Telefon (tatsächlich hatte sogar ich in der Grundschule einige Klassenkameraden, deren Eltern keins hatten) und erst recht kein Auto: zu Fuß gehen oder Fahrrad fahren war angesagt, und das bei jedem Wetter und in jeder Jahreszeit. Aber London ist natürlich auch keine westfälische Kleinstadt, da werden sie schon fortschrittlicher gewesen sein.
Das Buch ist wirklich gut und flüssig geschrieben und auf keinen Fall langweilig: ich habe nur zwei Tage gebraucht, um es zu lesen. Aber Grace und ihre Erlebnisse ließen mich seltsam kalt, sie war mir weder sympathisch noch unsympathisch und ich hatte am Ende des Buchs überhaupt nicht das Gefühl, sie zu kennen. Vielleicht will die Autorin es so; auf jeden Fall ist auch Grace eigenartig distanziert zu ihrem eigenen Leben.
In einer Zeit, in der ein uneheliches Kind den völligen sozialen Abstieg, Verachtung von Freunden und Familie, und letzten Endes natürlich auch materielle Armut bedeutete, hat sie einfach bedenkenlos Sex mit einem Mann, dem sie nicht richtig vertrauen kann und von dem sie weder weiß, ob er eine gemeinsame Zukunft mit ihr in Erwägung zieht, noch ob sie bei ihm bleiben will. Zuvor - man erfährt es aus Rückblenden - hatte sie auch eine längere Affäre mit einem verheirateten Mann.
Ihren Job setzt Grace genauso bedenkenlos aufs Spiel, in dem sie es sich mit den Besitzern der Werbeagentur verdirbt und einfach mal tagelang gar nicht zur Arbeit geht. Und das, obwohl sie die einzige in ihrer Familie ist, die überhaupt ein Einkommen hat.
Am Ende des Buches muß sie quasi zu ihrem Glück gezwungen werden, weil sie wild entschlossen ist, den Mann, den sie liebt, mit einer anderen zu verkuppeln - obwohl die andere ihn gar nicht will.
Es hat mir schon Spaß gemacht, The Jewel Box zu lesen, aber alles in allem mag ich es doch lieber, wenn ein Buch von Charakteren bevölkert wird, die ich liebgewinnen kann und deren Schicksal mir nahegeht. Das ist hier leider nicht der Fall.
Ich habe mir das Buch hauptsächlich wegen seines aufregenden und faszinierenden Handlungsortes ausgesucht: London! In den 20er Jahren, kurz vor dem Börsencrash! Wenn die Autorin das Buch wirklich gut recherchiert hat und die 20er Jahre in London tatsächlich so waren, wie sie hier beschrieben werden, muß ich sagen, daß ich wirklich überrascht war. Das Leben der Charaktere wirkt in vieler Hinsicht kaum anders als unser heutiges. Wer mit jemandem sprechen will, ruft ihn einfach an, wer irgendwo hinwill, nimmt das Auto oder ein Taxi oder auch die öffentlichen Verkehrsmittel...und Frauen dürfen (fast) alles, was Männer dürfen. Außer am Arbeitsplatz, denn da bekommt Grace mächtigen Ärger, obwohl sie eigentlich nichts schlimmeres macht als ihre männlichen Kollegen. Da bin ich schon sehr froh, daß das heute anders ist.
Trotzdem: mit den Erzählungen meiner Großmutter aus dieser Zeit oder auch meiner Mutter aus ihrer Jugend (meine Mutter ist Jahrgang 1940) hat das alles recht wenig gemeinsam: bis in die späten 40er oder frühen 50er Jahre des 20. Jahrhunderts hatte kaum jemand ein Telefon (tatsächlich hatte sogar ich in der Grundschule einige Klassenkameraden, deren Eltern keins hatten) und erst recht kein Auto: zu Fuß gehen oder Fahrrad fahren war angesagt, und das bei jedem Wetter und in jeder Jahreszeit. Aber London ist natürlich auch keine westfälische Kleinstadt, da werden sie schon fortschrittlicher gewesen sein.
Das Buch ist wirklich gut und flüssig geschrieben und auf keinen Fall langweilig: ich habe nur zwei Tage gebraucht, um es zu lesen. Aber Grace und ihre Erlebnisse ließen mich seltsam kalt, sie war mir weder sympathisch noch unsympathisch und ich hatte am Ende des Buchs überhaupt nicht das Gefühl, sie zu kennen. Vielleicht will die Autorin es so; auf jeden Fall ist auch Grace eigenartig distanziert zu ihrem eigenen Leben.
In einer Zeit, in der ein uneheliches Kind den völligen sozialen Abstieg, Verachtung von Freunden und Familie, und letzten Endes natürlich auch materielle Armut bedeutete, hat sie einfach bedenkenlos Sex mit einem Mann, dem sie nicht richtig vertrauen kann und von dem sie weder weiß, ob er eine gemeinsame Zukunft mit ihr in Erwägung zieht, noch ob sie bei ihm bleiben will. Zuvor - man erfährt es aus Rückblenden - hatte sie auch eine längere Affäre mit einem verheirateten Mann.
Ihren Job setzt Grace genauso bedenkenlos aufs Spiel, in dem sie es sich mit den Besitzern der Werbeagentur verdirbt und einfach mal tagelang gar nicht zur Arbeit geht. Und das, obwohl sie die einzige in ihrer Familie ist, die überhaupt ein Einkommen hat.
Am Ende des Buches muß sie quasi zu ihrem Glück gezwungen werden, weil sie wild entschlossen ist, den Mann, den sie liebt, mit einer anderen zu verkuppeln - obwohl die andere ihn gar nicht will.
Es hat mir schon Spaß gemacht, The Jewel Box zu lesen, aber alles in allem mag ich es doch lieber, wenn ein Buch von Charakteren bevölkert wird, die ich liebgewinnen kann und deren Schicksal mir nahegeht. Das ist hier leider nicht der Fall.
Montag, 11. Januar 2010
Simone Neumann: Des Teufels Sanduhr
Westfalen im 30jährigen Krieg: Anna Pippel ist eine junge Frau, die mit ihrer schwerbehinderten Schwester auf einem Bauernhof lebt und arbeitet. Ihr Ehemann ist schon länger spurlos verschwunden, und als der Bauernhof geplündert und alle Bewohner außer Anna getötet werden, läuft sie davon und schließt sich dem Gefolge eines Heeres an. Sie findet Arbeit bei der Marketenderin Liese und schließt auch Freundschaft mit deren Bekannten, dem alten Geschichtenerzähler Hans Mergel und einer jungen Frau namens Therese. Doch neben dem Krieg, Hunger und Krankheiten droht dort noch eine weitere Gefahr: ein Mörder, der dem Heer zu folgen scheint...
Eine Geschichte, die im 30jährigen Krieg spielt, muß natürlich zwangsläufig düster und finster sein. Die Figuren leiden in nahezu jeder Szene des Buchs, vom Anfang bis zum Ende, unter dem Krieg, der allgegenwärtigen Gewalt, Hunger, Witterungsbedingungen und Krankheiten. So ist es kein Wunder, daß sich bei ihnen rasch ein gewisser Fatalismus einstellt bzw. bei Beginn der Handlung schon vorhanden ist. Niemand weiß schließlich, ob er selbst den nächsten Tag erleben wird. Da werden selbst übelste Gewalttaten gegen sich selbst und geliebte Menschen mit einem Gleichmut hingenommen, der heute unvorstellbar erscheint.
Trotzdem ist es ein außerordentlich spannendes und packendes Buch, vielleicht gerade deshalb, weil man die Orte der Handlung kennt oder zumindest schon von ihnen gehört hat, die Menschen und ihr Leben aber völlig anders sind als alle, die man kennt.
Die Beschreibung der Lebensumstände der Personen und ihre Wanderung von Westfalen nach Süddeutschland ist meistens viel spannender als die Frage, wer der Mörder ist. Sehr gelungen ist auch die Schilderung der Entwicklung Annas von einer etwas naiven, ängstlichen jungen Frau zu einer doch vergleichsweise selbstbewußten Person. Am Anfang des Buches kennt Anna kaum etwas von der Welt außer ihrem Heimatdorf. Sie kann weder lesen noch schreiben und hat keine Ahnung, worum es im Krieg überhaupt geht. Aber sie lernt schnell und ist alles andere als dumm.
Übrigens: das Buch hat sogar ein Happy End! Wer Details über den Ablauf des 30jährigens Kriegs wissen will oder erfahren möchte, wer wen warum aus dem Fenster geworfen hat, ist hier nicht ganz richtig, aber wer historische Romane - also fiktive Geschichten - mag, sollte durchaus mal einen Blick auf (oder in) Des Teufels Sanduhr werfen.
Eine Geschichte, die im 30jährigen Krieg spielt, muß natürlich zwangsläufig düster und finster sein. Die Figuren leiden in nahezu jeder Szene des Buchs, vom Anfang bis zum Ende, unter dem Krieg, der allgegenwärtigen Gewalt, Hunger, Witterungsbedingungen und Krankheiten. So ist es kein Wunder, daß sich bei ihnen rasch ein gewisser Fatalismus einstellt bzw. bei Beginn der Handlung schon vorhanden ist. Niemand weiß schließlich, ob er selbst den nächsten Tag erleben wird. Da werden selbst übelste Gewalttaten gegen sich selbst und geliebte Menschen mit einem Gleichmut hingenommen, der heute unvorstellbar erscheint.
Trotzdem ist es ein außerordentlich spannendes und packendes Buch, vielleicht gerade deshalb, weil man die Orte der Handlung kennt oder zumindest schon von ihnen gehört hat, die Menschen und ihr Leben aber völlig anders sind als alle, die man kennt.
Die Beschreibung der Lebensumstände der Personen und ihre Wanderung von Westfalen nach Süddeutschland ist meistens viel spannender als die Frage, wer der Mörder ist. Sehr gelungen ist auch die Schilderung der Entwicklung Annas von einer etwas naiven, ängstlichen jungen Frau zu einer doch vergleichsweise selbstbewußten Person. Am Anfang des Buches kennt Anna kaum etwas von der Welt außer ihrem Heimatdorf. Sie kann weder lesen noch schreiben und hat keine Ahnung, worum es im Krieg überhaupt geht. Aber sie lernt schnell und ist alles andere als dumm.
Übrigens: das Buch hat sogar ein Happy End! Wer Details über den Ablauf des 30jährigens Kriegs wissen will oder erfahren möchte, wer wen warum aus dem Fenster geworfen hat, ist hier nicht ganz richtig, aber wer historische Romane - also fiktive Geschichten - mag, sollte durchaus mal einen Blick auf (oder in) Des Teufels Sanduhr werfen.
Sonntag, 13. September 2009
Rebecca Gablé: Das zweite Königreich
England im Jahr 1064: Caedmon von Helmsby ist der Sohn eines Landadligen (eines Thanes) und einer Normannin und wird bei einem Wikingerüberfall schwer verletzt. Da er nun als Krüppel gilt, schickt ihn sein Vater als Übersetzer mit einem der Anwärter auf den englischen Thron in die Normandie. Dort wird er als Ritter ausgebildet und macht sich Freunde und Feinde, bis er schließlich mit der Armee Wilhelms des Eroberers nach England zurückkehrt. An dessen Hof wird er nach und nach zu einem wichtigen Mann, der versucht, sich für die angelsächsische Bevölkerung einzusetzen. Durch eine Affäre mit der Frau eines anderen setzt er jedoch alles aufs Spiel, und seine Feinde hören nicht auf, gegen ihn zu intrigieren...
Selbst wenn man bedenkt, daß das Buch sehr dick ist (875 Seiten), deckt es eine enorm lange Zeit (23 Jahre) und eine Menge Handlung ab. Da kommen die Interaktionen zwischen den Personen und die Charakterisierungen hier und da ein wenig zu kurz. Trotzdem ist es ein wirklich unterhaltsames Buch, und obwohl ich bei manchen von Caedmons Handlungen dachte: "oh nein, das machst du doch jetzt nicht...laß das lieber sein", war er ein sympathischer Held. Insgesamt sind die Handlungen der Personen aus dem Buch jedoch plausibel, und die "laß das lieber sein"-Momente kamen immer dann, wenn es um Caedmon und seine heimliche Affäre ging. Da die Autorin lt. Klappentext Mediävistin ist, gehe ich davon aus, daß die Geschichte weitestgehend korrekt dargestellt wird, und diese Teile des Buches sind wirklich interessant. So hatte ich bisher z. B. keine Ahnung, daß Wilhelm der Eroberer die Insel nicht nur erorbert hat, sondern auch einige wichtige Reformen durchgeführt hat oder durchführen wollte. Und selbst bei seinen grausamsten Verbrechen bekommt man noch einen Hinweis darauf, was ihn dazu motiviert haben könnte. Daß man einen guten Grund gehabt zu haben glaubt, macht das Enteignen oder gar Töten hunderter von Menschen natürlich nicht akzeptabel oder entschuldbar, aber ein Mensch, der selbst felsenfest davon überzeugt ist, daß Gott ihn zum Regieren bestimmt hat, kann wohl schon auf komische Gedanken kommen. Kriege ich Ärger, wenn ich als Beispiel ein paar Personen aus der Gegenwart nenne?...Na, ich lasse es lieber.
Selbst wenn man bedenkt, daß das Buch sehr dick ist (875 Seiten), deckt es eine enorm lange Zeit (23 Jahre) und eine Menge Handlung ab. Da kommen die Interaktionen zwischen den Personen und die Charakterisierungen hier und da ein wenig zu kurz. Trotzdem ist es ein wirklich unterhaltsames Buch, und obwohl ich bei manchen von Caedmons Handlungen dachte: "oh nein, das machst du doch jetzt nicht...laß das lieber sein", war er ein sympathischer Held. Insgesamt sind die Handlungen der Personen aus dem Buch jedoch plausibel, und die "laß das lieber sein"-Momente kamen immer dann, wenn es um Caedmon und seine heimliche Affäre ging. Da die Autorin lt. Klappentext Mediävistin ist, gehe ich davon aus, daß die Geschichte weitestgehend korrekt dargestellt wird, und diese Teile des Buches sind wirklich interessant. So hatte ich bisher z. B. keine Ahnung, daß Wilhelm der Eroberer die Insel nicht nur erorbert hat, sondern auch einige wichtige Reformen durchgeführt hat oder durchführen wollte. Und selbst bei seinen grausamsten Verbrechen bekommt man noch einen Hinweis darauf, was ihn dazu motiviert haben könnte. Daß man einen guten Grund gehabt zu haben glaubt, macht das Enteignen oder gar Töten hunderter von Menschen natürlich nicht akzeptabel oder entschuldbar, aber ein Mensch, der selbst felsenfest davon überzeugt ist, daß Gott ihn zum Regieren bestimmt hat, kann wohl schon auf komische Gedanken kommen. Kriege ich Ärger, wenn ich als Beispiel ein paar Personen aus der Gegenwart nenne?...Na, ich lasse es lieber.
Donnerstag, 3. September 2009
Rebecca Gablé: Der König der purpurnen Stadt
London im Jahr 1330: Jonah Durham ist Lehrling seines Cousins Rupert Hillock, eines Tuchhändlers. Da Rupert ein brutaler Trinker und seine Frau Elizabeth geisteskrank ist, hat Jonah keinen leichten Stand. Dies ändert sich, nachdem seine Großmutter stirbt und ihm ein Vermögen vermacht. Damit und mit einer Geschäftsidee, die von Philippa, der Königin von England, unterstützt wird, kann er sich endlich selbstständig machen. Jonah wird ein erfolgreicher Kaufmann, doch er macht sich auch eine Menge Feinde...
Alles in allem ist Der König der purpurnen Stadt ein sehr unterhaltsamer historischer Roman und keinen Augenblick lang langweilig, obwohl es ein ziemlich dickes Buch ist (perfekte Urlaubslektüre!). Es gibt sympathische und unsympathische Romanfiguren; zu den unsympathischen gehören für mich neben Rupert Jonahs Schwiegervater sowie der König Edward III, obschon die Autorin selbst in ihrem Nachwort schreibt, daß sie für ihn als historische Persönlichkeit eine Schwäche hat. Für mich ist er jedoch - soweit er hier als Romanfigur auftaucht - ein leichtsinniger, maßloser Verschwender, der nicht die geringste Rücksicht auf die Gefühle oder Wünsche anderer Menschen nimmt, noch nicht mal derer, die ihm eigentlich nahestehen. Gefallen hat mir aber, daß es so gut wie niemanden gibt, der nur gut und heldenhaft oder nur böse und niederträchtig ist. Jonah selbst finde ich als Protagonisten etwas problematisch, da er als äußerst verschlossen beschrieben wird. Dies bedeutet, daß der Leser zwar fast immer weiß, was ihn um- oder antreibt, Jonahs Mitmenschen aber meistens auf Vermutungen angewiesen sind. Und das gilt sogar für seine Frau und seine besten Freunde. Darüber hinaus verhält er sich häufig rücksichtslos und, was schlimmer ist, verlangt bedingungslosen Gehorsam von Frau, Kindern und Angestellten. Das ist höchstwahrscheinlich historisch korrekt, denn nach allem was ich weiß, war der Mann damals der Herr im Haus; aber es macht Jonah trotzdem nicht sympathischer. Er ist trotzdem kein Widerling, sondern im Grunde genommen ein anständiger Mensch, der zumindest niemanden betrügt.
Übrigens: die Handlung des Buches erstreckt sich über einen Zeitraum von 19 Jahren (1330 bis 1349). Ich fand es spannend und unterhaltsam, und würde jederzeit wieder einen Roman von Rebecca Gablé lesen.
Alles in allem ist Der König der purpurnen Stadt ein sehr unterhaltsamer historischer Roman und keinen Augenblick lang langweilig, obwohl es ein ziemlich dickes Buch ist (perfekte Urlaubslektüre!). Es gibt sympathische und unsympathische Romanfiguren; zu den unsympathischen gehören für mich neben Rupert Jonahs Schwiegervater sowie der König Edward III, obschon die Autorin selbst in ihrem Nachwort schreibt, daß sie für ihn als historische Persönlichkeit eine Schwäche hat. Für mich ist er jedoch - soweit er hier als Romanfigur auftaucht - ein leichtsinniger, maßloser Verschwender, der nicht die geringste Rücksicht auf die Gefühle oder Wünsche anderer Menschen nimmt, noch nicht mal derer, die ihm eigentlich nahestehen. Gefallen hat mir aber, daß es so gut wie niemanden gibt, der nur gut und heldenhaft oder nur böse und niederträchtig ist. Jonah selbst finde ich als Protagonisten etwas problematisch, da er als äußerst verschlossen beschrieben wird. Dies bedeutet, daß der Leser zwar fast immer weiß, was ihn um- oder antreibt, Jonahs Mitmenschen aber meistens auf Vermutungen angewiesen sind. Und das gilt sogar für seine Frau und seine besten Freunde. Darüber hinaus verhält er sich häufig rücksichtslos und, was schlimmer ist, verlangt bedingungslosen Gehorsam von Frau, Kindern und Angestellten. Das ist höchstwahrscheinlich historisch korrekt, denn nach allem was ich weiß, war der Mann damals der Herr im Haus; aber es macht Jonah trotzdem nicht sympathischer. Er ist trotzdem kein Widerling, sondern im Grunde genommen ein anständiger Mensch, der zumindest niemanden betrügt.
Übrigens: die Handlung des Buches erstreckt sich über einen Zeitraum von 19 Jahren (1330 bis 1349). Ich fand es spannend und unterhaltsam, und würde jederzeit wieder einen Roman von Rebecca Gablé lesen.
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