Schnell fand ich das mittelgroße Menschengrüppchen, das sich um Hilke Sellnick versammelt hatte. Ich wurde netterweise von Antje direkt einigen Teilnehmerinnen vorgestellt, und dann gings los. Oder besser gesagt: bergab. Im wörtlichen Sinn, nicht im übertragenen. Idstein ist ein sehr malerischer kleiner Ort mit hübsch hergerichteten, uralten, krummen und schiefen Fachwerkhäusern und einer Burg, in der heute ein Gymnasium untergebracht ist (wo gerade offenbar eine Megaparty im Gange war). Außerdem ist Idstein sehr hügelig; ich schätze jetzt viel mehr als zuvor die Tatsache, daß zumindest der Norden Dortmunds doch recht platt ist. Der Höerhof, wo ich mir ein Zimmer genommen hatte und wo auch die Veranstaltung stattfand, war nun gerade oben auf einem Hügel.
Jedenfalls wußte Hilke Sellnick sehr interessant über den Ort und seine Geschichte zu erzählen. Richtig gruselig wurde es, als es um die Hexenprozesse ging, die auch dort stattgefunden haben. Wenn mein schwaches Gedächtnis mich nicht trügt, sind dort an die 30 Menschen hingerichtet worden! Sehr beeindruckt war ich auch, daß einige Frauen jeder Folter widerstanden haben, ohne ein Geständnis abzulegen. Diese wurden tatsächlich freigelassen, aber ich denke nicht, daß sie ihres Lebens jemals wieder froh geworden sind, zumal sie die Ortschaft verlassen mußten und niemals zurückkehren durften.
Später am Abend haben einige von uns in einem Kartoffelrestaurant gespeist. Neben Kartoffelgerichten gab es eine Vorspeise aus Couscous - ich habe es nicht probiert, aber es sah ein wenig wie nasser Sand aus. Bei der Gelegenheit konnten wir dann auch direkt ein wenig über Bücher fachsimpeln, und das war ganz toll: denn wann trifft man "im wirklichen Leben" schon mal Menschen, die nicht gucken, als hätte man nicht mehr alle beisammen, wenn man die Details von Piratenromanen ausdiskutiert?
Am nächsten Morgen, der leider viel zu früh kam, erwartete mich dann dieser Anblick:
Hübsch, nicht?
Nach einem schmackhaften, aber ziemlich lahmarschig kredenzten Frühstück - der Kellner tat sicherlich was er konnte, aber ein einziger Kellner ist vielleicht einfach überfordert damit, Dutzenden von Hotelgästen gleichzeitig Kaffee, Brötchen und Eierspeisen zu servieren - ging es los mit einem Vortrag zweier Literaturagenturen. Der Herr und die Damen verstanden es, ihre Arbeit so interessant zu beschreiben, daß selbst ich als Nicht-Autorin mich ganz gut unterhalten fühlte.
Anschließend gab es einen Vortrag des Autoren Andreas Wilhelm über das Thema, wie man Bücherlesungen multimedial gestalten kann. Das hat er wirklich gut gemacht; der Mann hat Entertainerqualitäten. Leider hatte er nicht, wie von ihm selbst vorgeschlagen, Feuerspucker mitgebracht. Na ja, wahrscheinlich wäre das in so einem alten Fachwerkhaus eh zu riskant! Seinen Vor- und Abspann fand ich allerdings ein wenig zu lang geraten: minutenlang Hieroglyphen angucken ist für Nicht-Ägyptologen auch wieder nicht so faszinierend. Seine Bücher könnten allerdings ganz interessant sein; das werde ich mal recherchieren.
Nun folgte eine Lesung, die sehr deutlich zeigte, daß eben nicht jeder Autor auch ein guter Vorleser oder Unterhalter ist. Zuerst las Hans-Jürgen Rusch, der einen Krimi im Marinemilieu geschrieben hat. Das Buch mag ja ganz spannend sein...die Lesung war es nicht. Die nächste Lesung von Ednor Mier (die hinterher sagte, daß sie tatsächlich so heißt!) hat mir viel besser gefallen, und ihr Buch, ein Krimi, ist auch ein ganz heißer Kandidat für meinen SUB. Daß ich Jennifer Benkaus Buch lesen werde, weiß ich auch schon - Antje hat es wärmstens empfohlen, und ich war ziemlich begeistert von der online verfügbaren Leseprobe, aus der die Autorin auch vorgelesen hat. Wer hätte gedacht, daß so eine junge, harmlos aussehende Person sich solche finsteren, abgründigen und boshaften Charaktere ausdenken kann? Danach las noch Aveleen Avide aus einer erotischen Kurzgeschichte, die mir allerdings nicht besonders gefiel, denn die Protagonistin wollte einen Typen verführen, von dem sie zwischendurch mehrmals dachte, daß er ein Macho und nicht besonders helle ist - wer will denn schon so einen? Von der letzten Lesung vor der Mittagspause ist leider gar nichts in meinem Gedächtnis hängengeblieben. Hat mich wohl nicht so beeindruckt. War das das junge Mädel, das so aufgebrezelt war? Wenn ja, kann sie als nächstes ein Sachbuch schreiben: Wie überlebt man Kopfsteinpflaster mit Stilettoabsätzen und winterliche 10 Grad in einem Korsett und einem Minirock. Na ja, jedem Tierchen sein Plaisierchen!
Nach der relativ frühzeitigen Mittagspause ging es mit einem Vortrag von André Wiesler weiter, der seinem staunenden Publikum glaubhaft darlegte, daß alle Anwesenden außer ihm selbst Werwölfe sind und über uralte, uncoole Witze lachen. Was soll's! Ich grinse jetzt noch - der Vortrag war äußerst unterhaltsam. Außerdem war noch zu erfahren, daß es eine besondere Sorte rheinländischer Werwölfe gibt (die heißen "Drüpp" oder so), und daß er seine Vorträge auf jede beliebige Länge zwischen 43 und 90 Minuten einstellen kann. Klasse. Wenn er mal mit einer Fortsetzung seines Programms auf Tour geht (vielleicht über Dilldappen oder Wolpertinger oder so?), schaue ich mir das auf jeden Fall an.
Danach gab es wieder eine Lesung mit verschiedenen Autoren. Den Anfang machte Jeanine Krock. Der Name ihres Buchs ist mir leider entfallen, und ich bin mir auch gar nicht sicher, ob dieses Buch etwas für mich wäre - aber die Frau ist super begabt als Vorleserin. Es war sehr, sehr spannend, und das in völliger Abwesenheit jeglicher Feuerspucker. Wenn sie mal anfängt, als Sprecherin für Hörbücher zu arbeiten, werde ich mir eins dieser Hörbücher kaufen. Anschließend lasen noch Kim Landers (nicht besonders beeindruckend, und ihre Geschichte bot auch nichts wirklich neues), Tanya Carpenter (ich glaube, bei ihr kamen stachelige Schlangen vor??), Sarah Schwartz (Vampire?) und Helene Henke (kann mich, ehrlich gesagt, nicht richtig dran erinnern).
Der vorletzte Teil der Veranstaltung bestand aus einem Interview mit zwei Damen vom Lyx-Verlag. Dieser Verlag hat schon eine Menge sehr illustrer Autoren unter Vertrag bzw. vertreibt Übersetzungen bekannter amerikanischer Romane in Lizenz. Unter anderem gehören die Darkyn-Bücher von Lynn Viehl dazu, von denen einige wirklich großartig sind, besonders das allererste, das mich, als ich es zum ersten mal las, vor Begeisterung umgehauen hat. Andererseits trägt der Lyx-Verlag aber auch eine Mitschuld an diesem grauenhaften Machwerk und veröffentlicht Bücher von Kimberly Raye und Lilith Saintcrow - und das ist nicht gerade eine Empfehlung. Aber die Geschmäcker sind nun mal verschieden! In Zukunft will der Lyx-Verlag auch Bücher aus dem Bereich Romantic Suspense veröffentlichen, die dann aber nicht als Romantic Suspense, sondern als Romantic Thrill bezeichnet werden. Warum? Keine Ahnung...vielleicht, um das engliche Th in Deutschland bekannter zu machen? Mit Bestürzung habe ich gesehen, daß ein Shannon McKenna-Buch dabei ist, ich glaube, es ist sogar das mit Seth dem psychopathischen Spanner. Aber auch dieses Buch wird sicherlich Käufer finden!
Auf diesen Schock hin habe ich mir erstmal ein Glas Sekt gegönnt, denn der Abschluß der BLC bestand aus einem Sektempfang nebst Bücherverlosung im Innenhof des Hotels. Leider habe ich kein einziges Buch gewonnen! Aber was soll's...noch habe ich genug zu lesen.
Den Abend habe ich mit einigen netten Menschen aus südlichen Gefilden in einem Lokal mit mediterraner Küche (hauptsächlich aus spanischen Tapas bestehend) verbracht. Dabei bot sich die Gelegenheit, einige Unterschiede zwischen dem hochdeutschen, bayrischen und österreichischen Sprachgebrauch zu klären: "Nennt man das bei euch wirklich Frikadellen??" "Ja sicher!" "Nein, das sind doch Fleischpflanzerl!" Und über Nora Roberts wurde auch diskutiert. Es wurde ein Beinah-Konsens dahingehend erzielt, daß ihre "Nur"-Liebesromane besser sind als ihre Paranormals.
Am nächsten Morgen gönnte ich mir einen sündhaft langen Schlummer bis 8.30 Uhr...wobei ich sonntags normalerweise nur dann um 8.30 Uhr wach bin, wenn ich vom vorhergehenden Abend übriggeblieben bin! Alle anderen Hotelgäste hatten einen gesunden Schlaf offenbar nicht gar so sehr geschätzt und waren frühzeitig im Restaurant aufgetaucht, um alle Croissants aufzuessen. Es war keins mehr für mich da...zum Glück gab es noch einige Minibrötchen und eine Art undefinierbare, aber wohlschmeckende Apfel-Zimt-Marmelade. Irgendwie scheint in der Gegend außer dem Bier fast alles einen Hauch von Apfel-Zimt-Geschmack zu haben: es gab sogar einen rosa Apfel-Wein-Cocktail. Keine Ahnung, was das genau ist, aber es war ziemlich lecker.
Die anschließende Heimfahrt war glücklicherweise ereignislos und dauerte nur zwei Stunden. Ich habe ein wenig geschmunzelt, als ich durch ein Dorf namens "Irmtraut" fuhr.
Alles in allem war die BLC eine gelungene Veranstaltung und ich habe mich gut amüsiert. Vielen Dank an die tüchtigen Veranstalterinnen!
hi Susi!! Schön, dass du wieder heile daheim angekommen bist und vor allem, dass es dir gefallen hat! Dein Zimmerausblick war ja mal echt schöner als meiner! Die Croissants hat dir aber niemand weggefuttert, die gabs am Sonntag einfach nicht ;)
AntwortenLöschenJa, ich denke auch, dass Lyx jetzt Spanner-Seth übersetzt, und ich finds cool! Ich fand ihn klasse :D Mir gefällt auch das Cover dazu sehr gut. Bin gespannt ob sie den um die Ohren gehauen bekommen oder für ihren Mut beklatscht werden ;)
LG Antje - die übrigens nur "Buletten" kennt ;)
Hallo Susi,
AntwortenLöschenwas für ein boshafter, kleiner Bericht von der BLC. Danke dafür, ich musste mehrmals grinsen.
Ich bin übrigens die auf harmlos getarnte Person mit den garstigen Dämonen ;-)
Habe entsprechenden Absatz aus deinem Bericht gerade meinem Mann übers Telefon vorgelesen, daraufhin erklang ein Geräusch, als stülpte jemand eine Krake um. Offenbar hat er sich verschluckt - verstehe gar nicht, warum.
Eines muss ich als Rheinländerin aber mal richtig stellen: Unser Werwolf trägt den grauenhaft klangvollen, mystischen, furchterregenden Namen "Stüpp". ;-)
LG Jenny
Hallo Susi,
AntwortenLöschenna, das nenne ich ja mal einen ehrlichen Bericht. Wirklich sehr amüsant. Ich bin übrigens die Autorin an deren Lesung du dich nicht erinnern kannst. Verständlich bei den vielen Leuten und vielleicht zum Glück für mich, denn so fiel dir auch nicht auf, dass ich vor Nervösität am liebsten in den Tisch gebissen hätte. ;-) Apropos Biss, ja auch bei mir waren es Vampire.
Herzliche Grüße
Helene Henke
P.S. Auf meiner Homepage gibt es zur Zeit ein kleines Gewinnspiel. Vielleicht hast du Lust mal reinzuschauen.
Hi Antje - tja, über das Buch werden wir uns wohl nie einigen ;-) Jetzt hast du mich aber drauf gebracht, daß ich mir das Cover mal angucken muß. Ich hab nämlich gar nicht drauf geachtet.
AntwortenLöschenHallo Jenny, schön, daß du in meinem Blog vorbeigeschaut und die Sache mit den Stüpps / Stüppen / rheinländischen Werwölfen aufgeklärt hast. Ich bin allerdings ein wenig beunruhigt ob der Tatsache, daß du weißt wie es sich anhört, wenn man Kraken umstülpt!
Hallo Helene, sorry, war nicht böse gemeint! Gibt's auf deiner Homepage auch irgendwo eine Leseprobe? (Hab keine gefunden, aber vielleicht war ich ja nur zu schusselig).
Hi Susi!
AntwortenLöschenja, Seth scheidet die Geister! Macht ja aber nichts. Er ist eben wie Kümmel, oder Anis oder vielleicht sogar Marzipan, entweder man hasst es oder liebt es ... ihn ... ;)
Was du da über Jenny und die Kraken sagst ... jetzt wo du es sagst, bekomme ich auch ein bisschen Angst ... :D
LG
Antje
Hi Antje, also in dem Fall würde ich sagen - Kümmel. Definitiv Kümmel. Womöglich sogar ein ganzer Salzkuchen mit Mett und Zwiebeln ;-)
AntwortenLöschenHallo Susi,
AntwortenLöschenich habs auch nicht böse aufgefasst. ;-) Eine Leseprobe gibt es natürlich auch auf meiner HP, etwas weiter unten, der Eintrag Juni 2009. Ist aber aus meinem zweiten Teil "Der Gottvampir"
http://helene-henke.de/leseprobe_gottvampir.php
Die Leseprobe zum neuen Buch kommt noch, ich wollte die Exklusivität für die BLC bewahren. ;-)
Viele Grüße