England im späten 19. Jahrhundert: Gigi Rowland ist eine reiche junge Erbin, die sich Hals über Kopf in einen jungen Lord namens Camden Saybrook verliebt, der sich ebenfalls zu ihr hingezogen fühlt, obwohl er mit einer anderen Frau so gut wie verlobt ist. Elf Jahre später sind die beiden als Lord und Lady Tremaine verheiratet, haben sich aber seit vielen Jahren nicht gesehen. Gigi will die Scheidung, und Camden willigt ein - allerdings nur unter der Bedingung, daß sie vorher einen Erben zur Welt bringt. Dieses Projekt wird sofort in Angriff genommen, doch ist die endgültige Trennung tatsächlich das, was Gigi und Camden wollen?
Private Arrangements ist eine Entdeckung unter den Historicals. Ich bin wirklich begeistert von Sherry Thomas' Schreibstil, aber auch von ihrer Charakterisierung des Helden, der Heldin und der meisten Nebenfiguren. Hier taucht keine einzige der mittlerweile so langweilig gewordenen Klischeefiguren auf, alle Personen werden dem Leser mit Liebe zum Detail nahegebracht.
Gigi ist schon als 18jährige eine Person mit einem sehr gesunden Selbstbewußtsein. Sie weiß, daß sie aufgrund ihres Reichtums fast alles haben kann, was sie will, und sie schreckt auch nicht davor zurück, andere Menschen zu manipulieren. Sie besitzt einen guten Geschäftssinn und sorgt dafür, daß ihr Reichtum sich mehrt, anstatt ihre Zeit ausschließlich mit Teetrinken und Klavierspielen (oder was immer reiche Frauen im späten 19. Jahrhundert sonst zu tun pflegten) zu verbringen. Andererseits ist sie aber auch ein Mensch mit tiefen Gefühlen, ist manchmal unsicher und hat Angst, zurückgewiesen zu werden. Eines ist sie keineswegs: passiv. Sie agiert viel öfter, als sie reagiert.
Camden stammt aus einer verarmten, aber äußerst vornehmen Familie. Da er auch recht geschäftstüchtig ist, schafft er es innerhalb weniger Jahre, seine Finanzen zu sanieren. Camden hat sehr tief verankerte moralische Grundsätze, und es fällt ihm sehr schwer, anderen Menschen zu verzeihen, wenn diese gegen diese Grundsätze verstoßen. Das hört sich jetzt so an, als wäre er einer von diesen Romanhelden, die über die 350 Seiten eines Buchs lang einen Stecken im Arsch haben und ihre dazugehörige Heldin erst dann lieben, wenn sie sich haargenau so verhält, wie sie es erwarten. So ist er aber gar nicht. Eigentlich ist er ein herzensguter Mensch, der sich sogar mit seiner Schwiegermutter blendend versteht.
Was selbige Schwiegermutter, also Gigis Mama, betrifft: oh ja, die ist auch goldig. Sie hat in Private Arrangements eine eigene kleine Neben-Liebesgeschichte mit Happy-End. Gigis Mama ist das, was man heute wohl als gold digger bezeichnen würde (komischerweise fällt mir gerade nicht die korrekte deutsche Bezeichnung dafür ein, und "so wie jede Freundin, die Lothar Matthäus in den letzten 15 Jahren hatte" ist ja wohl weder ein Subjektiv noch ein richtiges Adjektiv). Sie gehört zu diesen Frauen, die finden, man könne sich grundsätzlich viel besser in einen reichen als in einen armen Mann verlieben. Aber sie ist wirklich bezaubernd, und ihre Bemühungen, einen leibhaftigen Herzog für sich zu gewinnen, sind absolut lesenswert.
Etwas gewöhnungsbedürftig ist die Erzählweise, denn ein großer Teil der Geschichte - wie Gigi und Camden sich kennengelernt haben, warum sie geheiratet und sich direkt wieder getrennt haben, was in den folgenden Jahren geschah - wird in Rückblenden erzählt. Ich bin eigentlich keine Freundin dieser Erzählweise, aber hier funktioniert es sehr gut. Mein einziger Kritikpunkt ist, daß Gigi und Camden ihr Happy End ein kleines bißchen zu lange durch irgendwelche selbstgemachten Komplikationen herauszögern - meiner Ansicht nach hätten sie sich wohl doch schon gute 30 bis 50 Seiten eher glücklich in die Arme sinken können. Aber ich will nicht meckern. Lieber ein gutes dickes Buch als ein mieses dünnes (ein mieses dickes wäre natürlich noch schlimmer. Nicht auszudenken, wenn Kafkas Verwandlung 350 Seiten hätte. Dann hätte ich mir entweder eine Klinikpackung Valium besorgen oder die sterblichen Überreste meines damaligen Deutschlehrers an einer geheimen Stelle verbuddeln müssen).
Ich freue mich ja immer, wenn ich mal einen Historical entdecke, der etwas ganz neues bietet und auch noch super geschrieben, spannend und kurzweilig ist. Das trifft auf Private Arrangements auf jeden Fall zu, und ich werde sicher noch einiges von Sherry Thomas lesen.
Ich find dieses Buch auch ganz toll und hab seitdem jedes Buch der Autorin gelesen. Die Erzählweise fand ich für dieses Buch auch passend, zumal sie die Spannung m.E. ziemlich gesteigert hat. Die Nebengeschichte um Gigis Mutter hingegen fand ich eher ein bisschen nervig, auf die hätte auch gern verzichtet werden können.
AntwortenLöschenDas Nachfolgebuch »Delicious« ist übrigens »Private Arrangemets« in Grün und genauso aufgebaut. Das hat mich ziemlich gestört, obwohl ich das Buch an sich nicht schlecht fand.
Bislang hatte ich bei der Autorin aber erst einen einzigen Ausreißer, »His at Night«. Das Buch mit seinem Arschlochhelden war wirklich bescheuert, aber es hat div. Preise abgeräumt, ich steh mit meiner Meinung da ein bisschen allein da! ;)
His at Night und Not Quite a Husband habe ich noch im SUB. Schaetze, du wuerdest mir eher das letztere empfehlen...?
AntwortenLöschenJupp. "Not Quite a Husband" fand ich ganz ganz ganz wundervoll. Ist aber auch so ne verschachtelte Geschichte, die z.T. in Rückblicken erzählt wird.
AntwortenLöschenDann werd ich mir den demnächst mal vornehmen...
AntwortenLöschenMach das. Ich bin gespannt und hoffe, er gefällt dir so gut wie mir. :)
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