Dienstag, 21. Mai 2013

Marian Keyes: The Mystery of Mercy Close

Helen Walsh ist eine weitestgehend arbeitslose, an Depressionen leidende Privatdetektivin, die gerade wieder bei ihren Eltern einziehen mußte, weil sie aus ihrer Wohnung herausgeflogen ist. Da kommt ihr ein Auftrag ihres Ex-Freundes Jay gerade recht: er ist der Manager der in Irland einst legendären Boyband Laddz, die in wenigen Tagen ihr fast bis auf die letzten Tickets ausverkauftes Wiedervereinigungskonzert geben soll. Leider ist Wayne Diffney, eins der Bandmitglieder, spurlos verschwunden. Helen soll ihn ausfindig machen, und da die Aufgabe sie zumindest zeitweise von ihren Problemen ablenken kann und obendrein gut bezahlt wird, macht sie sich schleunigst und mit großem Eifer an die Arbeit...

Ich bin ja so ein kleines Marian Keyes-Fangirl. Ich finde ihre Bücher wahnsinnig unterhaltsam, trotz der meist unfaßbar traurigen Themen. Auf Helens Buch war ich ganz besonders gespannt. Dazu muß man wissen, daß diese Figur die jüngste von fünf Schwestern ist, die jede bereits ihr eigenes Buch hatte. Helen ist in jedem dieser vorherigen Bücher als Nebenfigur aufgetaucht, und ich fand sie immer äußerst erfrischend als Buchcharakter.

Helen wurde nämlich immer als eine Frau charakterisiert, die nur das tut, was sie will, und äußerst unverblümt genau das sagt, was ihr gerade durch den Kopf geht. Die erste Szene von The Mystery of Mercy Close (Mercy Close ist übrigens nichts anderes als die Straße, in der der verschwundene Wayne wohnt) ist da ganz typisch. Helen mußte aus ihrer Wohnung ausziehen, weil sie die Raten nicht bezahlen konnte, und kreuzt bei ihren Eltern auf. Nun ergibt sich der folgende Dialog:

"I've news," I said.
Mum found her voice. "What are you doing here?"
"I live here."
"You don't. We got rid of you. We painted your room. We've never been happier."
"I said I've news. That's my news. I live here."

Helen ist sehr selbstbewußt und weiß ziemlich genau, was sie will und was sie nicht will. Außerdem hat sie eine sogenannte shovel list. Das ist eine Liste von Menschen, Dingen, oder auch Ausdrücken, die sie so aggressiv machen, daß sie ihnen am liebsten die flache Seite einer Schaufel ins Gesicht schlagen würde. Ich überlege ja schon die ganze Zeit, ob ich so eine Liste nicht auch haben sollte. Ganz oben auf dieser Liste würde meine Ex-Arbeitskollegin C. stehen, die nicht nur dumm, verlogen und niederträchtig ist, sondern solch einen Schlag mit einer Schaufel ins Gesicht zweifellos auch als Schönheits-OP von der Krankenkasse bezahlt bekäme. Ziemlich weit oben wären auch noch Unternehmensberater, die Äußerungen wie die folgende tun: "Die Projeksprache ist Deutsch. Und jetzt lassen Sie uns mal darüber diskutieren, wie Sie Ihre Commodities zu Spend Categories clustern, und wie es um Ihr Supplier Development bestellt ist....". Das Wort "nachhaltig" wäre definitiv ganz weit vorne, genau wie die Werbung für das Haarfärbemittel, das die Haare "glossy glänzend" macht. Und die Taschentücher, die nicht einfach nur weich, sondern soft sind. Autofahrer, die es für uncool halten, wenn man auf der Autobahn beim Fahrspurwechsel blinkt. Sigmar Gabriel - na ja, wenn das Tempolimit nicht kommt, muß ich ihm vielleicht doch keine Schaufel ins Gesicht schlagen. Ok, meine Liste wäre ganz schön lang, aber ich schweife ab.

The Mystery of Mercy Close hat keine besonders faszinierende Handlung. Helen forscht nach, wo Wayne abgeblieben ist und kämpft dabei gegen ihre schlimmer werdende Depression an, die sogar soweit geht, daß sie sich das Leben nehmen will. Das soll jetzt aber nicht heißen, daß das Buch sterbenslangweilig ist - das ist es nämlich ganz und gar nicht. Es ist in der Ich-Form geschrieben, und so hat man beim Lesen das Gefühl, daß einem eine ziemlich verpeilte, aber doch sehr liebenswerte und bodenständige Freundin eine lange und sehr dramatische Geschichte erzählt.

Was mich aber sehr überrascht hat, ist die Sache mit der Depression. Soweit ich weiß, leidet (oder litt) die Autorin Marian Keyes selbst an Depressionen, ich gehe also davon aus, daß sie weiß, worüber sie schreibt. Ich hätte jedoch nie erwartet, daß eine so direkte, unverblümte und teilweise auch etwas rücksichtslose Person wie Helen so ein Leiden haben könnte. Ich habe immer gedacht, das sei eher eine Krankheit, die besonders sensiblen und mitfühlenden Menschen zu schaffen macht, die sich alles immer sehr zu Herzen nehmen. Aber andererseits weiß ich nur sehr wenig über dieses Thema. Vielleicht ist die Handlung des Buches tatsächlich sehr schlüssig und es sind ganz andere Faktoren und persönliche Umstände, die dazu führen, daß jemand depressiv ist.

Laßt euch durch dieses traurige Thema jedenfalls nicht vom Lesen des Buchs abhalten. Es ist wirklich ein gutes Buch. Auch wenn ich Helens Vorliebe für düstere Wandfarben mit ekligen Namen (wie z. B. Wundbrand, Thrombose oder auch Blutsturz) beim besten Willen nicht nachvollziehen kann. Die Wand hinter meinem Computermonitor ist in sonnigem Gelb gestrichen, und wenn ich hier fertig bin, werde ich die Nacht in meinem rosa gestrichenen Schlafzimmer mit rosa Vorhängen (ja, es war für meinen Liebsten nicht leicht, diese Farbgestaltung zu verkraften) verbringen.


Dienstag, 7. Mai 2013

Darauf hat die Menschheit gewartet (echt jetzt).

Neulich mußte ich einmal mitten in der Nacht (an einem Samstag Morgen um 9 Uhr, um genau zu sein, und ich HASSE es, am Wochenende zu einer einstelligen Uhrzeit aufzustehen) nach Dortmund-Hörde, um mein Auto bei Carglass abzugeben. Carglass hasse ich eigentlich auch, wegen der bescheuerten Werbung, aber meine Versicherung hatte mir nur einige Werkstätten zur Auswahl genannt, die ich nehmen konnte, und diese war wenigstens in der Nähe von ein paar Läden und einer U-Bahn Haltestelle. Also schlenderte ich kurz nach 9 Uhr gelassenen Schrittes durch das noch sehr verschlafene Hörde und hatte einige Stunden Zeit totzuschlagen. Eines der wenigen Geschäfte, das schon geöffnet hatte, war ein Woolworth-Laden. Dazu muß man wissen, daß ich vor gut 20 Jahren in Hörde gearbeitet habe und damals sehr häufig einen Teil meiner Mittagspause in diesem Woolworth-Laden verbracht habe. Es gab da nämlich zwei Dinge, von denen ich mich unmöglich fernhalten konnte: eine Bücherabteilung mit vielen Liebesromanen, und eine große und gutsortierte Kosmetikabteilung. Gut, daß sie nicht auch noch eine große Auswahl an Schuhen, Handtaschen und Ohrringen hatten, sonst hätte ich mich wahrscheinlich nachts dort einschließen lassen. Ich war also verständlicherweise sehr neugierig, wie es heute bei Woolworth aussieht. Und es war eine riesengroße Enttäuschung! Was für ein billiger Ramschladen, dagegen wirkt jedes 1 Euro-Geschäft ja schon fast wie ein Einkaufsparadies! Doch dann entdeckte ich ES. Und natürlich erkannte ich sofort, daß ich ES kaufen mußte, denn es ist ja das, worauf die Menschheit schon so furchtbar lange gewartet hat. Es ist...



...Hello Kitty-Klopapier mit Rosenduft!!

Montag, 6. Mai 2013

Stephen Blackmore: Dead Things

Eric Carter ist ein Magier der Fachrichtung Totenbeschwörung (bißchen wie Anita Blake, nur cooler). Vor vielen Jahren hat er seine Heimatstadt Los Angeles verlassen, doch jetzt kehrt er zurück, um herauszufinden, wer seine Schwester Lucy ermordet hat. Kaum dort angekommen, sind alle möglichen Leute hinter ihm her und wollen ihn selbst umbringen oder zumindest vertreiben. Aber wer? Sein alter Freund Alex, seine Ex-Freundin Vivian, ein lebendiger sowie ein toter Gangsterboss und auch eine mexikanische Totengöttin kommen in Frage, doch wer davon meint es ernst und wer hat etwas mit Lucys Tod zu tun? Eric hat es nicht leicht, das Verbrechen aufzuklären und selbst mit dem Leben davonzukommen.

Dead Things ist das erste Buch, das in der Gegenwartsform geschrieben ist und das ich trotzdem freiwillig gelesen habe. Ich könnte noch nicht mal sagen warum, aber es paßt einfach zu Stephen Blackmores Schreibstil.  Es ist eine von diesen hard-boiled Geschichten (ich benutze wirklich nicht gern überflüssige Anglizismen, aber für hard-boiled kenne ich keine angemessene Übersetzung), wie ich sie manchmal sehr gern mag. Der Ich-Erzähler Eric ist alles in allem keine besonders sympathische Figur, aber er ist auch nicht bösartig - und er ist irgendwie cool. Na ja, das war Anita Blake in den ersten paar Büchern schließlich auch, aber das nur nebenbei. Eric hat ein enorm dreckiges Mundwerk. Ich hatte sogar kurz die Idee, mal nachzuzählen, wie oft das Wort fuck auf den 295 Seiten vorkommt, aber dann war ich zu faul dazu. Für solche Aktivitäten sind e-books wohl doch besser geeignet!

Die Geschichte selbst ist für das Genre nichts außergewöhnliches. Eric hat eine schlimme Vergangenheit und eine wahrscheinlich schlimmere Zukunft, steckt ständig in Schwierigkeiten und wird dauernd verfolgt und konsequenterweise meistens auch aufgespürt und verprügelt oder sonstwie verletzt. Manchmal weiß er, wer ihm schaden will, manchmal auch nicht. Für einige Zeit hat er Grund, seinem Freund Alex zu mißtrauen, und jemand, von dem er dachte, er sei tot, ist es nicht so ganz.

Wie es in solchen Büchern nicht selten ist, stellt sich am Ende heraus, daß alle Handlungsstränge zusammenhängen und daß Lucy von jemandem getötet wurde, der eigentlich gar keinen Grund dazu hatte. Aber es ist eben eine wahnsinnig spannende Geschichte, mit Action von der ersten bis zur letzten Seite und wunderbar abgefahrenen Details. Es gibt keine Durchhänger und keine Langeweile, und ich habe mich beim Lesen einfach nur zurückgelehnt und die haarsträubenden Ereignisse auf mich einwirken lassen. (Ich hätte auch "genossen" schreiben können, aber das wäre vielleicht etwas geschmacklos. Es wird schließlich jede Menge Blut vergossen).

Übrigens kennt Eric wirklich die geilsten Zaubersprüche. Einmal ist er in einem Cadillac unterweges, was seine Verfolger auch wissen. Also klebt er einfach einen Aufkleber auf die Windschutzscheibe, mit der Aufschrift: "Gray Honda Civic Totally Not A Cadillac". Ein anderes Mal entführt er einen Krankenwagen und fährt damit auf den Parkplatz eines vornehmen Country Clubs. Dort bringt er einen - oha, wie nennt man diesen Beruf? - Valet Parker dazu, den Krankenwagen zu parken und Eric stattdessen einen Mercedes zu bringen. Die Rechtfertigung folgt auf dem Fuße: "A few minutes later I'm on the road in somebody's S Class. Kid'll probably lose his job, but who wants to be stuck parking rich assholes' cars, anyway? Doing him a favor."

Tja, ich hoffe, mir tut niemals jemand so einen Gefallen. Trotzdem eine sehr coole Aktion. So wie sich das Ende anhört, könnte ich mir denken, daß es eine Fortsetzung geben wird, und da ich mit Dead Things so einen Spaß hatte, werde ich die auf jeden Fall auch lesen.