Daß ich zu einer Karen Rose-Lesung gehe, hatte ich ja neulich schon mal mit großer Begeisterung angekündigt. Am vergangenen Dienstag war es nun endlich soweit: ich machte mich auf die Socken in die Wildnis Bergkamens, denn ebendort sollte die Lesung in einem Theater stattfinden. Davor hatte ich noch nicht einmal gewußt, daß es in Bergkamen sowohl eine Wildnis als auch ein Theater gibt, und das, obwohl Bergkamen an Dortmund grenzt und ich dort schon oft war! Außer einer Wildnis und einem Theater gibt es da übrigens auch Unmengen von Kreisverkehren, aber das nur nebenbei. Glücklicherweise gibt es ja diese segensreiche Erfindung namens Navigationsgerät, und so fand ich problemlos...den Parkplatz des Theaters. Weit und breit kein Theater. Nur 'ne Turnhalle und ein paar Wohnhäuser. Aber das Glück war mir und der Menschenmenge, die gleichzeitig mit mir ankam, hold, und schickte uns eine Frau vorbei, die mit ihrem Hund spazierenging und wußte, wo das Theater war. Wie sich herausstellte, mußte man noch einen kleinen Berg erklimmen...wodurch ich jetzt weiß, daß Bergkamen seinen Namen wohl doch zurecht trägt.
Wenig später hatte ich meine Jacke abgegeben und einen ganz guten Platz im Theater gefunden. Da sich auf der Bühne noch nichts tat, konnte ich in aller Ruhe das Ambiente und meine Mitzuschauer betrachten. Das Ambiente war eher nüchtern und schmucklos. Es hatte so einen Hauch von Gesamtschulaula. Glaube ich. Ich selbst bin zum Gymnasium gegangen, und da meine ehemalige Schule in den späten 60er oder frühen 70er Jahren erbaut wurde, bestand sie in der Hauptsache aus grellbunten Betonwänden. Na ja, man gewöhnt sich dran. Aber das nur nebenbei. Was die anderen Zuschauer betrifft, so war ich baff. Es waren nämlich sehr viele. Wer hätte gedacht, daß es so viele Leser gibt? Das war wirklich eine positive Überraschung. Männer und Frauen und alle Altersgruppen waren bunt gemischt, auch das positiv überraschend. Daß viele von denen offenbar an Atemwegserkrankungen litten, die sich in lautem Husten äußerten, war nicht ganz so überraschend (ist ja im Kino im Herbst und Winter auch so, nicht?) und auch nicht ganz so positiv...aber was will man machen. Wenn man so eine Eintrittskarte bestellt, weiß man ja nicht, ob man ein paar Tage später 'ne Erkältung bekommt.
Bis es dann endlich losging, hat es noch ziemlich lange gedauert, denn wie sich herausstellte, hatte sich die Anreise von Karen Rose auch recht krimihaft gestaltet. Das fing damit an, daß sie am Flughafen in Düsseldorf von einer Verlagsmitarbeiterin mit einem Leihwagen abgeholt werden sollte. Die Verlagsmitarbeiterin ist aber wohl mit dem Leihwagen orientierungslos um den Flughafen gekreist, weil sie die Ankunftshalle nicht fand (ich kenne das. Habe schon mal drei Extra-Runden um den Flughafen von Sevilla gedreht, weil der Abgabeplatz für die Leihwagen als normaler Parkplatz ausgeschildert war), bis ihr jemand hinten reinfuhr. Anschließend mußte man auf die Polizei warten, die sich aber wie stets bei Unfällen ohne Personenschaden Zeit ließ. Nun versuchten Karen Rose und ihre Begleiterin, deren Name mir entfallen ist, mit dem Taxi nach Bergkamen zu fahren - keine gute Idee, denn offenbar gab es just an diesem Tag den längsten Stau seit Menschengedenken. Genaugenommen gibt es in NRW zwischen Düsseldorf und Dortmund jeden Tag den längsten Stau seit Menschengedenken, besonders, wenn man sich auf die A 40 wagt - aber angeblich war es an diesem Tag noch schlimmer als sonst. Tja, der Taxifahrer hat die beiden dann zum Bahnhof gebracht, wo die beiden einen Zug in Richtung Kamen bestiegen. Und mit diesem Zug passierte das, was mit Zügen scheinbar immer passiert: er konnte unterwegs zweimal nicht weiterfahren und mußte jeweils 20 Minuten lang stehen bleiben. Eigentlich müßte so eine Schriftstellerin ja dankbar sein für den Ausfall diverser Verkehrsmittel, nicht wahr: die tödliche Langeweile, die man beim Warten auf Züge, Flugzeuge usw. empfindet, ist dem Verkauf von Büchern sicherlich sehr förderlich.
Die Lesung selbst fing damit an, daß Karen Rose den Prolog ihres aktuellen Buches Todesspiele (Kill for Me) vorlaus. Anschließend las Nicole Engeln, die wohl auch die deutschen Hörbücher von Karen Rose besprochen hat, die gleiche Passage auf deutsch vor. Alle weiteren Passagen des Buchs wurden nur noch von Nicole Engeln gelesen. Das hat sie wirklich gut gemacht, ich war schon sehr davon beeindruckt, wieviel Ausdruck sie in ihre Stimme gelegt hat. Trotzdem hätte ich mir gewünscht, daß die Autorin selbst noch weitere Stellen aus ihrem Buch vorliest, schließlich war ich deswegen gekommen. Das Buch selbst ist wieder sehr spannend und schauderhaft - es geht um Mädchenhandel. Ich war mir vorher nicht ganz sicher, ob man sich Bücher signieren lassen kann, daher hatte ich auch kein Buch zum Signieren mitgebracht - hinterher hatte ich dann aber doch die Spendierhosen an, habe mir das Buch vor Ort noch gekauft und die Gelegenheit genutzt, es signieren zu lassen...dafür habe ich sogar eine Viertelstunde Schlange gestanden, hinter einem Typen der, wie sage ich es...ein kleines Problem mit übermäßig aktiven Schweißdrüsen hatte. Oder besser gesagt, ich hatte ein Problem mit dem einzigartigen "Duft", den dieser Typ absonderte. Vor dem Ende der Lesung gab es aber auch noch einige kleine Interviews, den eine Dame vom Verlag mit Karen Rose führte. Das war ganz interessant. Ich hätte beispielsweise nie gedacht, daß sie in Florida lebt. Alle Bücher, die ich bisher von ihr gelesen habe, haben in Chicago oder Philadelphia und teilweise - wie auch Todesspiele - in Georgia gespielt. Und ich habe immer angenommen, daß die meisten Autoren zeitgenössischer Bücher diese an den Orten spielen lassen, wo sie wohnen oder die sie sehr gut kennen - einfach, weil weniger Recherche nötig ist bzw. es sie einfacher macht. Andererseits weiß ich natürlich nicht, ob Frau Rose vielleicht früher mal in Chicago, Philadelphia oder Georgia gewohnt hat - und ich habe mich nicht getraut zu fragen. Nicht etwa, weil ich mich nicht getraut habe zu fragen, sondern weil ich doch recht weit hinten im Publikum saß, und weil ich ein sehr dünnes Stimmchen habe. Die Chance, daß man mich mehr als zwei Sitzreihen weiter - von der Bühne ganz zu schweigen - gehört hätte, geht gegen Null.
Das einzige, was ich an der Lesung wirklich nicht ganz so gut fand, war die Tatsache, daß die Dame vom Verlag bei den Interviews da und dort beim Übersetzen von Karen Roses Antworten mal etwas hinzuerfunden hat oder auch gelegentlich etwas weggelassen hat. Im großen und ganzen hat sie aber schon das übersetzt, was die Autorin auch erzählt hat.
Alles in allem war es ein vergnüglicher Abend, und ich freue mich schon auf die Jilliane Hoffman-Lesung Anfang November!
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