Sonntag, 22. August 2010

Meredith Duran: Bound By Your Touch

Lydia Boyce ist die Tochter eines Ägyptologen und führt dessen Geschäfte im heimatlichen London. Eines Tages hält sie vor der Crème de la Crème der britischen Gesellschaft einen Vortrag über dessen wissenschaftliche Erkenntnisse, der abrupt von einem offensichtlich betrunkenen jungen Mann unterbrochen wird, der eine ägyptische Stele trägt. Zum großen Erstaunen aller identifiziert Lydia die Stele sofort als Fälschung, was sowohl für sie selbst als auch für den jungen Mann, James Viscount Sanburne, ungünstig ist. Es stellt sich nämlich sehr schnell heraus, daß das gefälschte Artifakt von Lydias Vater nach England geschickt wurde, und daß James es nur gekauft hat, um seinem verhaßten, ägyptenbegeisterten Vater eins auszuwischen. Lydia ist jedoch felsenfest davon überzeugt, daß ihr geliebter Vater niemals eine Fälschung in Umlauf bringen würde. Sie und James versuchen, der Sache gemeinsam auf den Grund zu gehen, und kommen sich dabei unerwartet näher...

Nachdem ich schon von Written On Your Skin begeistert war, habe ich beglückt festgestellt, daß auch Bound By Your Touch ein großartiges Buch ist. Es ist schon erstaunlich, wie Meredith Duran eine uralte, tausendmal gelesene Liebesroman-Handlung nehmen und in etwas völlig neuartiges verwandeln kann; und das liegt noch nicht mal so sehr an der Handlung selbst, als vielmehr an den vielschichtigen Charakteren.

James ist ein zutiefst unglücklicher Mann, den das schlechte Gewissen plagt. Seine Schwester Stella war mit einem gewalttätigen Mann verheiratet und wurde von ihm geschlagen und gequält. Schließlich hat sie ihn vor einigen Jahren getötet und lebt seitdem in einer Nervenklinik. James macht sich Vorwürfe, weil er seine Schwester nicht gerettet hat, aber noch größere Vorwürfe macht er seinem Vater, denn auch dieser hat seiner Ansicht nach keinen Finger gekrümmt, um Stella zu retten. Die Ablenkung die James von seinem Kummer sucht, ist eher gefährlicher Art: er feiert ständig wilde Parties mit Drogen und Alkohol im Überfluß, und er treibt sich häufig in den Slums von London herum, um dort an Faustkämpfen und anderen Exzessen teilzunehmen.

Lydia ist das genaue Gegenteil: sie ist eine außerordentlich pragmatisch denkende Frau, die in jeder Situation schnell einen Weg findet, das beste daraus zu machen. Vor einigen Jahren hatte sie sich in einen jungen, aufstrebenden Politiker verliebt und dachte, daß er sie heiraten würde - doch stattdessen heiratete er ihre Schwester Sophie. Sophie ist eine bildhübsche Frau, die immer das bekommt, was sie will - und insgeheim war sie immer ein wenig neidisch auf Lydia, die im Gegensatz zu ihr an der Ägyptenbegeisterung des Vaters teilhaben durfte. Nun müssen die beiden zu allem Überfluß unter einem Dach leben, denn ihre jüngste Schwester Antonia soll in die Gesellschaft eingeführt werden.

Liebe auf den ersten Blick ist es weder für Lydia noch für James, und ihre anfängliche Einschätzung seiner Person - die sie ihm übrigens einfach mal direkt ins Gesicht sagt - ist nicht gerade schmeichelhaft:

"You're a butterfly", she said. "Aimless by nature, useless by choice, and highly decorative. Annoying, when you flap into someone's face."

Nach und nach lernen die beiden sich jedoch besser kennen und schätzen. Was aber keineswegs bedeutet, daß sie mit allem einverstanden sind, was der jeweils andere sagt und tut.

Lydia findet, daß James sich mit seinem ständigen Haß auf seinen Vater nur selbst schadet, und daß er aufgrund seines Reichtums, seiner guten Beziehungen und auch seiner Intelligenz viel mehr bewirken könnte, wenn er seine Zeit nicht mit Suff und Prügeleien verschwenden würde.

James dagegen meint, daß Lydia die Heldenverehrung für ihren Vater übertreibt und sie sich ernsthaft mit der Möglichkeit befassen sollte, daß dieser tatsächlich in finstere Geschäfte verwickelt sein könnte.

Beide müssen in vieler Hinsicht umdenken, bevor das Buch ein glaubwürdiges Happy End hat. Sowohl James als auch Lydia sind vom Schicksal gebeutelt, das muß wohl so sein in einem Meredith Duran-Buch. Aber das interessante daran ist, daß sie wie echte Menschen mit Stärken und Schwächen wirken, und daß nicht alle ihre Probleme letzten Endes wie durch Zauberhand verschwinden.

Bound By Your Touch ist spannend und so gut geschrieben, daß ich es gar nicht mehr weglegen wollte und innerhalb von kürzester Zeit durchgelesen habe. Für einen Liebesroman ist es nicht gerade leichte Kost, aber man kann sich wirklich richtig darin vertiefen und seine Umgebung vergessen.

4 Kommentare:

  1. Im Zusammenhang mit Durans neuestem Buch, "Wicked Becomes You", hab ich ja auch erstaunt festgestellt, dass es der Frau gelingt, selbst die ausgelutschtesten Plots so zu gestalten, dass sie dennoch fesselnd und irgendwie einzigartig sind. Für mich ist Duran eine der allerbesten Historical-Autorinnen derzeit.

    Kennst du eigentlich die Bücher von Sherry Thomas? Ich könnte mir vorstellen, dass die dir auch gefallen würden.

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  2. Hi Irina, von Sherry Thomas habe ich noch nichts gelesen - kannst du mir da eine "Einstiegsdroge" empfehlen?

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  3. Da meine Bibliothek kein Buch der Autorin im Bestand hat, tu ich jetzt mal so, als ob ich deine begeisterte Rezension gar nicht gelesen hätte. ;) Oder ich stupse Irina an ... *dumdidum*

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  4. Susi: Ich hab erst zwei gelesen. "Private Arrangements" fand ich toll, "Delicious" hätte ich wohl toll gefunden, wenn ich zuvor nicht "Private Arrangements" gelesen hätte; mir war da der Aufbau zu ähnlich und der ganze Plot deshalb zu vorhersehbar. Ihr neuestes Buch "His at Night" hat auch überschwengliche Rezensionen gekriegt, das hab ich aber (noch) nicht.

    Winterkatze: Au! *lach*

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