Sonntag, 4. Juni 2017

Andreas Heineke: Tod à la Provence

Pascal Chevrier ist ein Polizist aus Paris, der nach seiner Scheidung einen Tapetenwechsel braucht. Also läßt er sich nach nach Lucasson in der Provence versetzen. In seiner Vorstellung ist dort alles sehr idyllisch, außer gelegentlichen Ladendiebstählen gibt es keine Verbrechen, und er geht davon aus, daß er seine Tage damit verbringen wird, am Roséwein zu nippen und in der Sonne zu sitzen. Leider kommt aber alles ganz anders, denn schon wenige Tage nach Pascals Ankunft in Lucasson wird ein reicher amerikanischer Investor ermordet, der in dem kleinen verschlafenen Ort gegen den Willen seiner Bewohner ein Golf-Resort bauen wollte. Auch der Bürgermeister scheint Dreck am Stecken zu haben - und was haben die Trüffel mit all dem zu tun, die man im Wäldchen von Lucasson finden kann?

Das hörte sich ja für mich alles nach einem schönen Provence-Krimi mit Spannung und viel Lokalkolorit an. Ich konnte den Lavendel quasi schon riechen (könnte aber auch an meinem Lavendel-Raumspray im Badezimmer liegen. Ich mag den Duft einfach). Leider wurde alles an diesem Buch dadurch zunichte gemacht, daß Pascal, aus dessen Perspektive das ganze Buch erzählt ist, einfach nur klotzhohl ist und völlig unverständlich handelt. Also ehrlich, der Typ muß in einem früheren Leben ein Boxsack gewesen sein, sonst würde er sich vielleicht auch mal zur Wehr setzen, wenn ihn jemand verstümmeln und/oder töten will.

Übrigens - Spoilerwarnung! Ich muß hier ein paar Details aus dem Buch ausplaudern, um zu erklären, warum es mich so genervt hat.

Es fängt schon damit an, daß Pascal in eine Einwohnerversammlung in einer Kneipe stolpert, bei der es um das Golf-Resort geht. Nicht ganz überraschend, kommt es zu einer heftigen Auseinandersetzung. Pascal geht dazwischen und wird prompt von einem Chinesen vermöbelt und schwer am Fuß verletzt. Am nächsten Tag geht er zum Dorfarzt um a) seinen Fuß verarzten zu lassen und b) diesen über ein bestimmtes Thema auszufragen, denn er geht davon aus, daß er als Arzt quasi über alles informiert ist, was die Bewohner Lucassons so tun und treiben. Nach wenigen Minuten des Gesprächs weiß Pascal, daß der Arzt gar nicht der Dorfarzt ist, sondern dessen Sohn, der ihn vertritt. Dorfarzt junior weiß nichts über die Pascals neue Mitbürger und ist obendrein offensichtlich ein gemeingefährlicher Stümper, der den verletzten Fuß ein bißchen befummelt, mit "nicht gebrochen" eine leicht zweifelhafte Diagnose stellt und anschließend etwas Salbe draufschmiert und einen Verband drumwickelt.

So geht es über das ganze Buch hinweg weiter. Pascal versucht in dem Mordfall zu ermitteln, hat eine heiße Spur, jemand versucht ihn zu verletzen oder zu töten, und am Ende ist seine Reaktion kaum mehr als ein Schulterzucken. Zwischendurch nimmt er sich noch eine kleine Auszeit und sagt sich "scheiß auf die Arbeit", weil ihn seine Tochter besucht und er mit ihr etwas unternehmen möchte. Ja, okay, sehr lobenswert, aber...das soll doch ein Krimi sein??

Am allermeisten hat mich allerdings Pascals Beziehung, wenn man es so nennen kann, zu Elaine Dumont gestört. Diese Elaine ist die Tochter des Önologen des Weinguts, auf dem Pascal eine Wohnung mietet. Er ist auf den ersten Blick fasziniert von ihr, denn sie erinnert ihn an seine Exfrau (die meisten anderen Männer würden bei dieser Assoziation wohl das Weite suchen, aber nun gut). Pascal himmelt also Elaine an, während Elaine sich fortwährend wie ein Überbleibsel aus einem (schlechten) Film noir aus den 40er Jahren benimmt. Einige Tage später trinken die beiden sich einen, und haben dann aus heiterem Himmel plötzlich Sex miteinander. Am nächsten Morgen ist Elaine aus Pascals Wohnung verschwunden, der amerikanische Investor ist tot und - Überraschung! - Elaine war seine Ehefrau.

Diese Tatsache quittiert Pascal mit kaum mehr als einem Schulterzucken. Die Frau ist mit mir ins Bett gestiegen, obwohl sie verheiratet war? Der Typ wurde ermordet, nachdem ich eingeschlafen und sie aus meiner Wohnung verschwunden war? Die dringendste Frage, die Pascal nun umtreibt, ist: "mag sie mich wirklich oder wollte sie nur eine schnelle Nummer?"  Daß sie direkt nach einer Beerdigung mit ihm ins Bett geht und ihn einmal beim Sex fast erwürgt (ihr Ehemann wurde erstickt), findet Pascal ein ganz kleines bißchen seltsam, aber auch wieder nicht so schlimm, daß er sich von ihr fernhält.

So plätschert das Buch vor sich hin. Pascal testet einige Restaurants in der Region, überlegt, wie er sein Wissen über provenzalische Kräuter erweitern kann - er ist ein begeisterter Hobbykoch und möchte eines Tages ein eigenes Restaurant haben - und am Ende wird doch noch ermittelt, wer Elaines Gatten in die ewigen Jagdgründe befördert hat. Und hier muß ich sagen - Hut ab. Das ist wirklich das unspektakulärste, sang- und klangloseste Buchende, das ich seit langem gelesen habe. Wenn ich das nächste Mal 8,49 € sinnlos verschwenden will, kauf ich mir lieber 'ne Flasche Roséwein.


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