Dienstag, 1. September 2015

Tessa Dare: When a Scot Ties the Knot

Madeline Gracechurch ist eine schüchterne 16jährige, die panische Angst vor Menschenmengen hat und es unbedingt vermeiden will, als Debütantin in die feine Gesellschaft eingeführt zu werden. Da sie dies ihrer Familie offenbar nicht anvertrauen kann, erfindet sie kurzerhand einen schottischen Verlobten, der Soldat ist und in fernen Ländern kämpft. Nachdem die Gefahr einer Einführung in die Gesellschaft gebannt ist, läßt sie den imaginären Verlobten einen imaginären Tod sterben und zieht sich auf ihre Burg in den schottischen Highlands zurück, die sie von ihrem Patenonkel geerbt hat. Nun könnte alles gut sein...wenn in just diesem Schloß nicht etliche Jahre später der echte und lebendige Captain Logan McKenzie auftauchen würde. Maddie hatte nämlich ihrem Verlobten regelmäßig bis zu seinem vorgetäuschten Tod Briefe geschrieben, die durch einen unglücklichen Zufall bei seinem lebendigen Namensvetter gelandet sind. Und dieser Logan McKenzie erpreßt nun Maddie, ihn zu heiraten, da er das Land braucht, das zu ihrer Burg gehört.

Ich habe hier ja schon lange nichts mehr geschrieben - das echte Leben kommt immer wieder dazwischen. Und manchmal auch Die Sims 4. Aber When a Scot Ties the Knot hat mich fasziniert. Es besitzt eine absolut konsequente Grausamkeit und Brutalität, so etwas habe ich selten - möglicherweise sogar noch nie - erlebt.

Nein nein, keine Panik - hier werden weder Frauen geschändet noch Männer entmannt oder Kinder geschlagen. Das Opfer ist hier die Logik. Dieses Buch verprügelt die Logik, tritt ihr mit einem mächtigen Chuck Norris-Gedächtnis-Roundhouse Kick die Zähne ein und begießt sie anschließend mit Benzin und zündet sie an, während es Highway to Hell auf einem Dudelsack spielt. Am Ende des Buchs ist von der Logik nur noch ein klitzekleines Häufchen Asche über, und die vermischt es dann noch mit ein paar Gramm Koks und schnupft das ganze, bis von der Logik wirklich überhaupt gar nichts mehr überbleibt - noch nicht mal eine Erinnerung.

Klingt grauenhaft? Ist es auch. Aber es ist dennoch ein sehr unterhaltsames Buch. Tessa Dare ist begabt in der Hinsicht. (Das hier jetzt gleich ein paar Spoiler kommen, ist klar, oder?)

Die Vorgeschichte ist ja noch ganz okay, kann man mal so hinnehmen. Daß das "historische" an diesem Historical kaum mehr Substanz hat als ein nasses Blatt Klopapier - geschenkt. Die Charaktere reden alle wie Amerikaner des 21. Jahrhunderts. Null Problemo. Aber dann wird's richtig krass.

Maddie ist eine sehr begabte Zeichnerin, und sie ist dabei, sich als Illustratorin für naturwissenschaftliche Bücher mit Zeichnungen von Insekten und anderen Tieren einen Namen zu machen. Einer ihrer Auftraggeber lädt sie zu einem Ball ein, bei dem er sie einem Wissenschaftler vorstellen will, der Illustrationen für eine Enzyklopädie benötigt, die er veröffentlichen will.

Das wäre eine großartige Gelegenheit für Maddie, und sie möchte den Auftrag für die Enzyklopädie wahnsinnig gern haben. Wegen ihrer Furcht vor Menschenmengen will sie aber nicht zum Ball gehen. Logan und Maddie sind sich inzwischen nähergekommen, und weil er ihr was Gutes tun möchte, überredet er sie, dennoch hinzugehen (wird schon nicht so schlimm, ich bin ja bei dir).

Logan, Maddie und Maddies Tante Thea, die ebenfalls in der Burg wohnt, machen sich also auf die Socken und fahren erstmal nach Inverness, um für Maddie ein schickes Kleid zu kaufen. In Inverness hat Maddie eine schlimme Panikattacke, weil da so viele Menschen sind. Auf dem Weg zum Ball von Maddies Auftraggeber müssen unsere wackeren Helden auch noch in einem Hotel übernachten, weil es offenbar ein längerer Weg ist.

Der Ball selbst ist eher so semi-erfolgreich; zwar bekommt Maddie keine Panikattacke, aber dem Typen mit der Enzyklopädie lernt sie nicht kennen, denn ihr Auftraggeber denkt, daß sie als verheiratete Frau wohl kaum Zeit finden wird, Käfer zu zeichnen. Dann wird die Party durch einen von Logans Soldaten-Kumpels unterbrochen, der Maddie mitteilt, daß einer von ihren Hummern entwischt ist. - Die Hummer hält sie als Haustiere, weil sie sie bei der Paarung beobachten und zeichnen will. Innerhalb von knapp vier Stunden rasen alle, mit Ausnahme der irgendwo zwischen Inverness und dem Ball spurlos aus der Geschichte verschwundenen Tante Thea, zurück zur Burg, um den Hummer zu suchen.

Maddie und Logan haben aus...Gründen...einen Streit, und Maddie findet jetzt plötzlich alles doof: Logan doof, schottische Burg doof, Zeichnen doof, Hummer doof. Also will sie Logan die Burg schenken, die Hummer freilassen und ihrer Familie die ganze Familie Wahrheit über den erfundenen Verlobten sagen. Bei einem Gespräch mit der gerade wieder aus den Tiefen der Handlung aufgetauchten Tante Thea stellt sich heraus, daß sie schon lange wußte, daß Maddie ihren Verlobten nur erfunden hatte, aber die ganze Geschichte so süß und romantisch fand, daß sie nichts gesagt hat.

Eigentlich wäre das ja schon genug mausetote Logik für ein durchschnittlich langes Buch gewesen, aber wer das glaubt, hat Tessa Dare gewaltig unterschätzt. Maddie hat nämlich versprochen, daß sie aus der Burg erst nach der schon länger geplanten Beltane-Party abreist. Die Party ist aber so toll und romantisch, daß Logan und Maddie leidenschaftlichen, wundervollen Sex haben und Maddie ihm ihre Liebe gesteht. An Abreise ist natürlich nicht mehr zu denken. Logan kann Maddie leider nicht sagen, daß er sie liebt, denn a) hat ihn seine Mutter als Kind im Stich gelassen, b) wäre das Buch dann zu kurz, und c) ist er schon seit vielen Jahren mordsmäßig angepisst, weil Maddie ihn...also den erfundenen Logan...getötet und ihm keine Briefe mehr geschrieben hat.

Wenig später wird Logan bei einem Kampf mit einem seiner Soldaten-Kumpels schwer verletzt, und Maddie wacht Tag und Nacht an seinem Krankenbett, so daß sie sogar die Paarung der Hummer verpaßt. Logan gesteht Maddie nun doch seine Liebe, und dann taucht ein zerstreuter Wissenschaftler auf, der mit Maddie in die Karibik reisen will (alles total ehrenhaft. Es ist eine wissenschaftliche Expedition). Logan drängt Maddie zu der Reise, sie reist innerhalb von einem Tag ab, und dann fällt Logan ein, daß er mal besser mitkommen sollte. Aber bevor jemand "Schottenrock" sagen kann, steht unsere leicht verpeilte Heldin schon wieder auf der Matte, weil sie eine Karibikreise nun doch nicht so toll findet. Logan und Maddie fallen sich in die Arme, sie darf doch noch die Enzyklopädie illustrieren, Happy End.

Puh. Ich komme mir vor als hätte ich Persil geraucht oder etwas ähnlich irres getan. Labile Persönlichkeiten sollten wirklich einen großen Bogen um dieses Buch machen. Es ist zweifellos ein spannendes und stellenweise sehr lustiges Buch, aber selbst ein lustiges Buch mit durchgeknallten Charakteren profitiert davon, wenn diese Charaktere sich selber treu bleiben und so etwas wie eine Persönlichkeit haben. Das ist hier leider gar nicht der Fall. Logan und Maddie haben soviel Persönlichkeit wie Anziehpuppen (die Älteren von uns kennen die noch - Pappfiguren, denen man Papierkleidung anziehen konnte).

Das können Sie besser, Frau Dare!