Samstag, 26. Juli 2014

Rose Lerner: Sweet Disorder

Phoebe Sparks ist die junge Witwe eines Zeitungsverlegers und lebt in einer Kleinstadt namens Lively St. Lemeston in England im Jahr 1812. Bis auf ihren permanenten Geldmangel ist sie mit ihrem Leben zufrieden, denn sie hat eine jüngere Schwester, die sie liebt, versteht sich blendend mit ihrem Schwager und einer Menge anderer netter Menschen in dem Ort, und kann weitestgehend machen, was sie will. Ihr Leben wird leider dadurch komplizert, daß in England Parlamentswahlen bevorstehen. Hier wird es kompliziert. Offenbar ist es so, daß für Lively St. Lemeston nur ein Abgeordneter ins Parlament einziehen kann, und daß nicht jeder Einwohner an der Wahl teilnehmen darf, so daß jede Stimme heiß umkämpft wird. Phoebe darf als Frau nicht wählen, aber sie hat von ihrem Vater eine Stimme geerbt, mit der ihr neuer Mann wählen dürfte, wenn sie denn vor der Wahl noch heiraten würde. Hier kommt Nick Dymond ins Spiel. Nick ist der jüngere Sohn einer reichen Adelsfamilie, und insbesondere seine Mutter hat große politische Ambitionen. Nicks älterer Bruder soll unbedingt der Parlamentsabgeordnete werden, und deshalb soll Nick Phoebe überreden, ein Parteimitglied zu heiraten, das dann natürlich für Nicks Bruder stimmen würde.

Soweit der komplizierte Handlungshintergrund, den ich, ehrlich gesagt, nicht wirklich verstanden habe. Das liegt hauptsächlich daran, daß ich keine Ahnung vom politischen System in England im 19. Jahrhundert habe. Sie hatten einen König, und sie hatten ein Oberhaus, in dem Vertreter des Hochadels saßen, und ein Unterhaus, in dem wohl die Normalbürger vertreten waren - aber alles andere ist mir weitestgehend schleierhaft. Warum besitzt Nicks Mutter so einen großen politischen Ehrgeiz, obwohl sie selbst als Frau weder das aktive noch das passive Wahlrecht hat, und hat die Familie - Nicks Vater ist ein Graf - nicht sowieso einen Sitz im Oberhaus, für den man nicht gewählt werden muß?

Aber egal. Man muß das alles nicht genau verstehen, um das Buch wundervoll zu finden. Und es ist wundervoll. Ich habe es in einem Rutsch durchgelesen, und es war das beste Buch, das ich bisher in 2014 gelesen habe.

Ich liebe es, wie Rose Lerner Phoebe und Nick und alle Nebenfiguren als Menschen mit guten und schlechten Eigenschaften, Macken und kleinen Ticks lebendig werden läßt. Phoebe mag ich ganz besonders. Ich sage das wirklich selten über eine Romanheldin, aber wenn Phoebe ein echter Mensch wäre, würde ich ihre Freundin sein wollen.

Phoebe kann nämlich recht spitzzüngig sein, sie hat Humor und eine sehr direkte Art im Umgang mit anderen Menschen. Und sie hat ein gesundes Selbstbewußtsein; sie läßt sich von niemandem einfach so herumscheuchen. Phoebe drückt ihren Mitmenschen gerne mal einen Spruch, genießt es, alleine zu leben, und läßt Hausarbeit gerne mal Hausarbeit sein, was ihr aber manchmal ein bißchen peinlich ist, wenn sie Besuch bekommt. Sie schläft gerne lang und kommt öfter mal ein bißchen zu spät zu Verabredungen.

Sie würde auch ohne weiteres Überlegen alle Parteimitglieder in die Flucht schlagen, die von ihr wollen, daß sie innerhalb der nächsten beiden Wochen noch heiratet, wäre da nicht ihre 16jährige Schwester Helen. Helen ist schwanger und will nicht sagen, wer der Vater des Babys ist. Phoebes und Helens Mutter ist eine verbitterte alte Hexe, und so ist von ihr keine Hilfe zu erwarten. Um Helen eine Reise in einen weit entfernten Ort und die Suche nach einer liebevollen Pflegefamilie für ihr Baby zu ermöglichen, braucht Phoebe Geld, und das bekommt sie nur, wenn sie eben doch heiratet.

Nick dagegen ist mit einer schweren Verletzung aus dem Krieg zurückgekommen und kann sich mit dem bürgerlichen Leben und seiner Behinderung (er hat ein lahmes Bein und dadurch schlimme Schmerzen) nur sehr schwer abfinden. Den Auftrag seiner Mutter, Phoebe mit einem Parteimitglied zu verheiraten, nimmt er nur sehr widerwillig an, nachdem seine Mutter ihm droht, seinen Unterhalt nicht mehr zu bezahlen. Das hört sich jetzt schlimmer an als es ist. Nick hat als Abkömmling einer Adelsfamilie einfach nichts gelernt, womit man Geld verdienen kann, und da er nun nicht mehr Offizier sein kann, weiß er noch nicht, was er mit dem Rest seines Lebens anfangen soll.

Aber ich sage es gleich ganz direkt: wer ein Buch mit einem Alphahelden sucht, der die ganze Welt nach seiner Pfeife tanzen läßt, ist hier an der völlig falschen Adresse. Nick ist ein liebenswürdiger Mensch mit einem ganzen Schwung von Problemen, aber er redet zumindest darüber. Es gibt keine tiefen dunklen Geheimnisse, um die er ein Riesentheater macht, und die sich schließlich als völlige Nullnummer herausstellen. Er jammert auch nicht die ganze Zeit, sondern geht sehr auf seine Mitmenschen ein. Nick ist wunderbar un-arrogant und un-borniert.

Phoebe willigt ein, die beiden Heiratskandidaten der Partei von Nicks Familie kennenzulernen. Einer davon ist übrigens ein Konditor, der versucht, die perfekte Süßigkeit für Phoebe herzustellen. Leider mag diese gar keine Süßigkeiten (seltsam, aber wahr). Erfolgversprechend ist schließlich nur das eigens für sie erfundene - Schinkenspeckeis! Wahnsinn.

Während dieser Zeit lernen Phoebe und Nick sich immer besser kennen und verlieben sich ineinander. Durch die Bekanntschaft mit Phoebe kommt Nick besser mit seinem neuen Leben klar, obwohl beiden klar ist, daß ihre Zeit miteinander sehr begrenzt ist.

Natürlich gibt es ein Happy End, leider kurz vorher noch eine nahezu TSTL-Aktion von Phoebe, über die ich aber locker hinwegsehen kann, weil das Buch im ganzen so unfaßbar grandios ist. Sweet Disorder kommt ohne miesen, schleimigen Bösewicht aus, es gibt eben nette und weniger nette Charaktere. Und der Typ, der Helen geschwängert hat, ist einfach ein Schwächling und ein Idiot. Glücklicherweise gibt es für Helen (die ich sehr mag) auch ein Happy End, genauso wie für Mr. Moon, den Konditor, der das Speckeis erfunden hat.


Samstag, 19. Juli 2014

Das goldene Arschloch am Band

Ich will wirklich keine negative Stimmung verbreiten. Ich möchte auch nicht den Eindruck vermitteln, ich hätte bisher in diesem Jahr nur grauenhafte Bücher gelesen. Das stimmt überhaupt nicht! Ich habe ein paar ganz wundervolle Bücher gelesen. Aber eben auch einige, deren Protagonisten (ich sage bewußt nicht "Helden") so dumm, widerwärtig oder einfach nur unsympathisch sind, daß ich ihnen hiermit feierlich einen Orden verleihe: Das Goldene Arschloch am Band.

Platz 3: Shane Griffin aus Turn Up the Heat von Kimberly Kincaid. Eigentlich ein ganz netter Typ. Er arbeitet als Kfz-Mechaniker in einer Kleinstadt im Norden der USA, die hauptsächlich von Wintersport-Touristen lebt. Seine Partnerin Bellamy Blake lernt er kennen, als sie für ein verlängertes Wochende in den Ort kommt und eine Autopanne hat. Außer, daß er alle möglichen abfälligen Bemerkungen über verwöhnte Frauen aus der Großstadt macht, ist er nicht so übel. Er ist allerdings fest davon überzeugt, daß seine und Bellamys Beziehung zwangsläufig enden muß, wenn sie nach Hause fährt. Nicht wegen der Entfernung; offenbar trennt Shanes Kleinstadt und Bellamys Heimatstadt Philadelphia nur eine Autofahrt von ca. 2 Stunden. Nein, der gute Shane besteht darauf, nienienienie wieder auch nur in die Nähe von Philadelphia zu kommen. Und zwar nur deswegen, weil sein Vater da lebt und er Zoff mit ihm hat. Und so einen Vollidioten soll ich als romantischen Helden bewundern??

Platz 2: Hier haben wir eine weibliche Preisträgerin. Sie heißt Jane Morgan und ist die Protagonistin aus Lead Me On von Victoria Dahl. Jane hat, das muß man ihr zugestehen, eine schlimme Kindheit gehabt. Sie wurde nämlich von ihrer Mutter Dynasty Alexis genannt (hihi, dreimal dürfen wir raten, welche 80er Jahre-Fernsehserie Janes Mama besonders mochte), und hat sich dann selbst später umbenannt. Jane möchte unbedingt respektabel sein, das bedeutet für sie: nur mit Leuten zu tun haben, die studiert haben, Anzüge oder Kostüme tragen und als Anwalt, Arzt oder Architekt arbeiten. Sie verleugnet grundsätzlich alles, was mit ihrer Familie oder ihrer Kindheit zu tun hat. William Chase, der Held des Buches, ist dagegen ein richtiger Goldschatz und hat einen supercoolen Job. Er ist nämlich ein Sprengstoffexperte - also er sprengt beispielsweise für Bauprojekte Felswände in die Luft. Jane will erst nichts mit ihm zu tun haben, weil sie denkt, daß er ein Arbeiter ist. Dann erfährt sie, daß er selbstständig ist und ein paar Angestellte hat. Nun will sie mit ihm nichts zu tun haben, weil er nicht studiert hat. Es stellt sich heraus, daß er das eben doch hat. Zuletzt will sie mit ihm nicht gesehen werden, weil er keine Anzüge, sondern Jeans und Flanellhemden trägt...tja, es hätte das Buch viel kürzer gemacht, aber ich hätte mir wirklich gewünscht, daß Jane von einem LKW überfahren oder von einem umherfliegenden Felsbrocken getroffen und unangespitzt in den Boden gerammt wird.

Platz 1: Reed Lawson, der männliche Protagonist (und wirklich definitiv kein Held) aus Baiting the Maid of Honor von Tessa Bailey. Reed ist eigentlich so etwas wie ein extrem übellauniger Vibrator auf zwei Beinen. Heldin ist verärgert? Komm, wir haben Sex. Heldin ist traurig? Komm, wir haben Sex. Heldin ist noch viel trauriger? Okay, dann wird sie beim Sex auch noch an den Haaren gezogen und geschlagen. Das Buch hätte ich natürlich nicht gekauft, wenn ich das vorher gewußt hätte. Ich finde sowas total widerlich. Aber gut, Julie Piper, die weibliche Protagonistin, fährt drauf ab. Jedem Tierchen sein Pläsierchen. Die Krönung des Buches kommt aber im Epilog, als die beiden schon ein Paar sind. Da wartet Reed, bis Julie auf der Arbeit ist, und bringt alle ihre Sachen aus ihrer Wohnung in seine Wohnung. Weil er findet, daß sie zusammenleben sollten. Es kommt aber noch besser. Nachdem Julie mitgekriegt hat, daß sie jetzt bei Reed wohnt, läßt er sie auch noch wissen, daß er sie heiraten wird. Ihren Vater hat er nämlich schon gefragt, und der war einverstanden. Echt, mir rollen sich die Zehennägel auf. Wenn dieser Typ ein lebendiger Mensch wäre, würde ich ihm wünschen, langsam und qualvoll an Syphilis zu sterben.

Endlich Sommer!!

Ich weiß, heute abend und morgen soll es schon wieder Gewitter geben...aber gestern und gerade jetzt gibt es endlich mal das perfekte Sommerwetter: heiß und sonnig, genau wie ich es mag. Da fehlt, wenn überhaupt, nur noch eins:


Sonntag, 6. Juli 2014

Komprimierter Irrsinn

Leseproben sind eine feine Sache. Normalerweise. Aber dann gibt es auch welche, bei denen sich meine Augenbrauen so sehr nach oben bewegen, daß sie an meinem Hinterkopf landen würden, wenn meine Haare nicht im Weg wären,

Und damit sind wir beim Thema Cherry Adair. Wenn man gerade Bock auf ein Buch mit völlig absurder Handlung und dämlichen Protagonisten hat, die in wirklich jeder Lebenslage nur an Sex denken, dann ist man bei Cherry Adair goldrichtig. Ich mag solche Bücher ja hin und wieder mal. Und so kam es, daß ich mir eine Leseprobe zu ihrem Buch Ice Cold heruntergeladen habe. Allerdings hätte ich mit Sicherheit einen riesengroßen Bogen um diese Leseprobe gemacht, wenn ich vorher gewußt hätte, daß ein Teil der Handlung in Deutschland spielt. Wenn amerikanische Autoren ihre Bücher in Deutschland spielen lassen, dann geht das meistens auf vielfältige Weise schief. Bei einer Autorin, die sowieso schon für den Irrsinn ihrer Bücher bekannt ist, kann man das Ergebnis je nach Laune als "krasser Scheiß" oder "OMG dieses Buch hat der Teufel in die Welt gebracht" bewerten.

Aber seht selbst. Die Leseprobe fängt damit an, daß unsere Heldin Honey Winston, die als Computerexpertin für eine dieser allgegenwärtigen streng geheimen Geheimorganisationen arbeitet, gegen den Helden Rafael Navarro kämpft. Rafael arbeitet ebenfalls für die streng geheime Geheimorgansation und wird auch als "der spanische Hengst" bezeichnet. Gnnnnnnnhihi. Peinlichster Spitzname ever, oder? Wenig später stellen die beiden fest, daß sie Kollegen sind, und daß Honeys Chef gerade ermordet wurde (mit 37 Messerstichen; Honey hat nachgezählt). Dann macht Rafael das Licht an, und Honey sieht, daß er lange, glatte, glänzende schwarze Haare hat. Das ist blöd, denn vor meinem geistigen Auge sieht er jetzt wie Jorge Gonzalez aus...


...was, neben dem bescheuerten Spitznamen, seinem Status als romantischer Held ein wenig abträglich ist.

Dann verlangt Honey, daß Rafael sie küßt, weil sie von ihrer Mentorin in der streng geheimen Geheimorganisation gehört hat, daß diese einmal einen Orgasmus hatte, als sie von Rafael geküßt wurde. (Ich glaube, diesen Typen müßte man mal gründlich mit Sagrotan einsprühen, bevor man ihm auch nur die Hand schüttelt). Rafael küßt Honey.

Wer jetzt glaubt, unsere beiden Helden würden mal so langsam aus dem Quark kommen und die Polizei rufen - wir erinnern uns, toter Chef mit 37 Messerstichen - ist, wie sollte es anders sein, völlig auf dem Holzweg. Stattdessen kommt die Müllabfuhr der streng geheimen Geheimorganisation und räumt alles auf. Echt jetzt. Im Originaltext steht "Garbage detail".

Nachdem das geklärt ist, nimmt Rafael Honey mit zum Flughafen, denn da ihr Chef ja nun leider wegen der 37 Messerstiche ausgefallen ist, muß Honey ihn auf eine Mission begleiten. Ursprünglich sollte diese Mission in Griechenland stattfinden. Offenbar will eine kolumbianische Terrorgruppe namens Luz Roja etwas Böses tun. Eine marxistische Terrororganisation namens Revolutionary Strength kommt ihr aber zuvor und sprengt dort eine Bank in die Luft. Da aber fast zeitgleich in Dresden ein ganzer Häuserblock einschließlich einer dort ansässigen Bank explodiert, begeben sich unsere beiden wackeren Helden lieber dorthin.

Warum eine Bank in Dresden eine streng geheime amerikanische Geheimorganisation zur Hilfe ruft, wenn dort eine Bombe explodiert...? Äh, keine Ahnung. Auf jeden Fall ist der spanische Hengst ein super-duper Bombenexperte, denn wenig später äußert er die folgenden weisen Worte:

"Bomben sind wie wütende Schneeflocken, keine zwei sind gleich".

Tja. Während sich Rafael also auf die Suche nach der Schneeflocke der Bombe macht, setzt sich Honey mit ihrem Laptop in ein Café in einer Nebenstraße von Unter den Linden. Laut Google Maps gibt es diese Straße in Dresden übrigens nicht. Vielleicht hat Frau Adair Dresden mit Berlin verwechselt? Kann ja mal vorkommen.

Rafael und Honey stellen fest, daß aus der Bank nichts gestohlen wurde. Rafael will, daß Honey nach Hause fliegt, aber sie will nicht. Beide bewundern noch kurz und verstohlen gegenseitig ihre Schönheit, und dann ist das Leid die Leseprobe auch schon zuende.

Puh. Ich weiß absurde und abgefahrene Bücher ja durchaus zu schätzen, aber das hier ist wirklich ein wenig zuviel des Guten.

(Das Bild von Jorge Gonzalez habe ich auf Wikimedia Commons gefunden).