Samstag, 26. Juli 2014

Rose Lerner: Sweet Disorder

Phoebe Sparks ist die junge Witwe eines Zeitungsverlegers und lebt in einer Kleinstadt namens Lively St. Lemeston in England im Jahr 1812. Bis auf ihren permanenten Geldmangel ist sie mit ihrem Leben zufrieden, denn sie hat eine jüngere Schwester, die sie liebt, versteht sich blendend mit ihrem Schwager und einer Menge anderer netter Menschen in dem Ort, und kann weitestgehend machen, was sie will. Ihr Leben wird leider dadurch komplizert, daß in England Parlamentswahlen bevorstehen. Hier wird es kompliziert. Offenbar ist es so, daß für Lively St. Lemeston nur ein Abgeordneter ins Parlament einziehen kann, und daß nicht jeder Einwohner an der Wahl teilnehmen darf, so daß jede Stimme heiß umkämpft wird. Phoebe darf als Frau nicht wählen, aber sie hat von ihrem Vater eine Stimme geerbt, mit der ihr neuer Mann wählen dürfte, wenn sie denn vor der Wahl noch heiraten würde. Hier kommt Nick Dymond ins Spiel. Nick ist der jüngere Sohn einer reichen Adelsfamilie, und insbesondere seine Mutter hat große politische Ambitionen. Nicks älterer Bruder soll unbedingt der Parlamentsabgeordnete werden, und deshalb soll Nick Phoebe überreden, ein Parteimitglied zu heiraten, das dann natürlich für Nicks Bruder stimmen würde.

Soweit der komplizierte Handlungshintergrund, den ich, ehrlich gesagt, nicht wirklich verstanden habe. Das liegt hauptsächlich daran, daß ich keine Ahnung vom politischen System in England im 19. Jahrhundert habe. Sie hatten einen König, und sie hatten ein Oberhaus, in dem Vertreter des Hochadels saßen, und ein Unterhaus, in dem wohl die Normalbürger vertreten waren - aber alles andere ist mir weitestgehend schleierhaft. Warum besitzt Nicks Mutter so einen großen politischen Ehrgeiz, obwohl sie selbst als Frau weder das aktive noch das passive Wahlrecht hat, und hat die Familie - Nicks Vater ist ein Graf - nicht sowieso einen Sitz im Oberhaus, für den man nicht gewählt werden muß?

Aber egal. Man muß das alles nicht genau verstehen, um das Buch wundervoll zu finden. Und es ist wundervoll. Ich habe es in einem Rutsch durchgelesen, und es war das beste Buch, das ich bisher in 2014 gelesen habe.

Ich liebe es, wie Rose Lerner Phoebe und Nick und alle Nebenfiguren als Menschen mit guten und schlechten Eigenschaften, Macken und kleinen Ticks lebendig werden läßt. Phoebe mag ich ganz besonders. Ich sage das wirklich selten über eine Romanheldin, aber wenn Phoebe ein echter Mensch wäre, würde ich ihre Freundin sein wollen.

Phoebe kann nämlich recht spitzzüngig sein, sie hat Humor und eine sehr direkte Art im Umgang mit anderen Menschen. Und sie hat ein gesundes Selbstbewußtsein; sie läßt sich von niemandem einfach so herumscheuchen. Phoebe drückt ihren Mitmenschen gerne mal einen Spruch, genießt es, alleine zu leben, und läßt Hausarbeit gerne mal Hausarbeit sein, was ihr aber manchmal ein bißchen peinlich ist, wenn sie Besuch bekommt. Sie schläft gerne lang und kommt öfter mal ein bißchen zu spät zu Verabredungen.

Sie würde auch ohne weiteres Überlegen alle Parteimitglieder in die Flucht schlagen, die von ihr wollen, daß sie innerhalb der nächsten beiden Wochen noch heiratet, wäre da nicht ihre 16jährige Schwester Helen. Helen ist schwanger und will nicht sagen, wer der Vater des Babys ist. Phoebes und Helens Mutter ist eine verbitterte alte Hexe, und so ist von ihr keine Hilfe zu erwarten. Um Helen eine Reise in einen weit entfernten Ort und die Suche nach einer liebevollen Pflegefamilie für ihr Baby zu ermöglichen, braucht Phoebe Geld, und das bekommt sie nur, wenn sie eben doch heiratet.

Nick dagegen ist mit einer schweren Verletzung aus dem Krieg zurückgekommen und kann sich mit dem bürgerlichen Leben und seiner Behinderung (er hat ein lahmes Bein und dadurch schlimme Schmerzen) nur sehr schwer abfinden. Den Auftrag seiner Mutter, Phoebe mit einem Parteimitglied zu verheiraten, nimmt er nur sehr widerwillig an, nachdem seine Mutter ihm droht, seinen Unterhalt nicht mehr zu bezahlen. Das hört sich jetzt schlimmer an als es ist. Nick hat als Abkömmling einer Adelsfamilie einfach nichts gelernt, womit man Geld verdienen kann, und da er nun nicht mehr Offizier sein kann, weiß er noch nicht, was er mit dem Rest seines Lebens anfangen soll.

Aber ich sage es gleich ganz direkt: wer ein Buch mit einem Alphahelden sucht, der die ganze Welt nach seiner Pfeife tanzen läßt, ist hier an der völlig falschen Adresse. Nick ist ein liebenswürdiger Mensch mit einem ganzen Schwung von Problemen, aber er redet zumindest darüber. Es gibt keine tiefen dunklen Geheimnisse, um die er ein Riesentheater macht, und die sich schließlich als völlige Nullnummer herausstellen. Er jammert auch nicht die ganze Zeit, sondern geht sehr auf seine Mitmenschen ein. Nick ist wunderbar un-arrogant und un-borniert.

Phoebe willigt ein, die beiden Heiratskandidaten der Partei von Nicks Familie kennenzulernen. Einer davon ist übrigens ein Konditor, der versucht, die perfekte Süßigkeit für Phoebe herzustellen. Leider mag diese gar keine Süßigkeiten (seltsam, aber wahr). Erfolgversprechend ist schließlich nur das eigens für sie erfundene - Schinkenspeckeis! Wahnsinn.

Während dieser Zeit lernen Phoebe und Nick sich immer besser kennen und verlieben sich ineinander. Durch die Bekanntschaft mit Phoebe kommt Nick besser mit seinem neuen Leben klar, obwohl beiden klar ist, daß ihre Zeit miteinander sehr begrenzt ist.

Natürlich gibt es ein Happy End, leider kurz vorher noch eine nahezu TSTL-Aktion von Phoebe, über die ich aber locker hinwegsehen kann, weil das Buch im ganzen so unfaßbar grandios ist. Sweet Disorder kommt ohne miesen, schleimigen Bösewicht aus, es gibt eben nette und weniger nette Charaktere. Und der Typ, der Helen geschwängert hat, ist einfach ein Schwächling und ein Idiot. Glücklicherweise gibt es für Helen (die ich sehr mag) auch ein Happy End, genauso wie für Mr. Moon, den Konditor, der das Speckeis erfunden hat.


Samstag, 19. Juli 2014

Das goldene Arschloch am Band

Ich will wirklich keine negative Stimmung verbreiten. Ich möchte auch nicht den Eindruck vermitteln, ich hätte bisher in diesem Jahr nur grauenhafte Bücher gelesen. Das stimmt überhaupt nicht! Ich habe ein paar ganz wundervolle Bücher gelesen. Aber eben auch einige, deren Protagonisten (ich sage bewußt nicht "Helden") so dumm, widerwärtig oder einfach nur unsympathisch sind, daß ich ihnen hiermit feierlich einen Orden verleihe: Das Goldene Arschloch am Band.

Platz 3: Shane Griffin aus Turn Up the Heat von Kimberly Kincaid. Eigentlich ein ganz netter Typ. Er arbeitet als Kfz-Mechaniker in einer Kleinstadt im Norden der USA, die hauptsächlich von Wintersport-Touristen lebt. Seine Partnerin Bellamy Blake lernt er kennen, als sie für ein verlängertes Wochende in den Ort kommt und eine Autopanne hat. Außer, daß er alle möglichen abfälligen Bemerkungen über verwöhnte Frauen aus der Großstadt macht, ist er nicht so übel. Er ist allerdings fest davon überzeugt, daß seine und Bellamys Beziehung zwangsläufig enden muß, wenn sie nach Hause fährt. Nicht wegen der Entfernung; offenbar trennt Shanes Kleinstadt und Bellamys Heimatstadt Philadelphia nur eine Autofahrt von ca. 2 Stunden. Nein, der gute Shane besteht darauf, nienienienie wieder auch nur in die Nähe von Philadelphia zu kommen. Und zwar nur deswegen, weil sein Vater da lebt und er Zoff mit ihm hat. Und so einen Vollidioten soll ich als romantischen Helden bewundern??

Platz 2: Hier haben wir eine weibliche Preisträgerin. Sie heißt Jane Morgan und ist die Protagonistin aus Lead Me On von Victoria Dahl. Jane hat, das muß man ihr zugestehen, eine schlimme Kindheit gehabt. Sie wurde nämlich von ihrer Mutter Dynasty Alexis genannt (hihi, dreimal dürfen wir raten, welche 80er Jahre-Fernsehserie Janes Mama besonders mochte), und hat sich dann selbst später umbenannt. Jane möchte unbedingt respektabel sein, das bedeutet für sie: nur mit Leuten zu tun haben, die studiert haben, Anzüge oder Kostüme tragen und als Anwalt, Arzt oder Architekt arbeiten. Sie verleugnet grundsätzlich alles, was mit ihrer Familie oder ihrer Kindheit zu tun hat. William Chase, der Held des Buches, ist dagegen ein richtiger Goldschatz und hat einen supercoolen Job. Er ist nämlich ein Sprengstoffexperte - also er sprengt beispielsweise für Bauprojekte Felswände in die Luft. Jane will erst nichts mit ihm zu tun haben, weil sie denkt, daß er ein Arbeiter ist. Dann erfährt sie, daß er selbstständig ist und ein paar Angestellte hat. Nun will sie mit ihm nichts zu tun haben, weil er nicht studiert hat. Es stellt sich heraus, daß er das eben doch hat. Zuletzt will sie mit ihm nicht gesehen werden, weil er keine Anzüge, sondern Jeans und Flanellhemden trägt...tja, es hätte das Buch viel kürzer gemacht, aber ich hätte mir wirklich gewünscht, daß Jane von einem LKW überfahren oder von einem umherfliegenden Felsbrocken getroffen und unangespitzt in den Boden gerammt wird.

Platz 1: Reed Lawson, der männliche Protagonist (und wirklich definitiv kein Held) aus Baiting the Maid of Honor von Tessa Bailey. Reed ist eigentlich so etwas wie ein extrem übellauniger Vibrator auf zwei Beinen. Heldin ist verärgert? Komm, wir haben Sex. Heldin ist traurig? Komm, wir haben Sex. Heldin ist noch viel trauriger? Okay, dann wird sie beim Sex auch noch an den Haaren gezogen und geschlagen. Das Buch hätte ich natürlich nicht gekauft, wenn ich das vorher gewußt hätte. Ich finde sowas total widerlich. Aber gut, Julie Piper, die weibliche Protagonistin, fährt drauf ab. Jedem Tierchen sein Pläsierchen. Die Krönung des Buches kommt aber im Epilog, als die beiden schon ein Paar sind. Da wartet Reed, bis Julie auf der Arbeit ist, und bringt alle ihre Sachen aus ihrer Wohnung in seine Wohnung. Weil er findet, daß sie zusammenleben sollten. Es kommt aber noch besser. Nachdem Julie mitgekriegt hat, daß sie jetzt bei Reed wohnt, läßt er sie auch noch wissen, daß er sie heiraten wird. Ihren Vater hat er nämlich schon gefragt, und der war einverstanden. Echt, mir rollen sich die Zehennägel auf. Wenn dieser Typ ein lebendiger Mensch wäre, würde ich ihm wünschen, langsam und qualvoll an Syphilis zu sterben.

Endlich Sommer!!

Ich weiß, heute abend und morgen soll es schon wieder Gewitter geben...aber gestern und gerade jetzt gibt es endlich mal das perfekte Sommerwetter: heiß und sonnig, genau wie ich es mag. Da fehlt, wenn überhaupt, nur noch eins:


Sonntag, 6. Juli 2014

Komprimierter Irrsinn

Leseproben sind eine feine Sache. Normalerweise. Aber dann gibt es auch welche, bei denen sich meine Augenbrauen so sehr nach oben bewegen, daß sie an meinem Hinterkopf landen würden, wenn meine Haare nicht im Weg wären,

Und damit sind wir beim Thema Cherry Adair. Wenn man gerade Bock auf ein Buch mit völlig absurder Handlung und dämlichen Protagonisten hat, die in wirklich jeder Lebenslage nur an Sex denken, dann ist man bei Cherry Adair goldrichtig. Ich mag solche Bücher ja hin und wieder mal. Und so kam es, daß ich mir eine Leseprobe zu ihrem Buch Ice Cold heruntergeladen habe. Allerdings hätte ich mit Sicherheit einen riesengroßen Bogen um diese Leseprobe gemacht, wenn ich vorher gewußt hätte, daß ein Teil der Handlung in Deutschland spielt. Wenn amerikanische Autoren ihre Bücher in Deutschland spielen lassen, dann geht das meistens auf vielfältige Weise schief. Bei einer Autorin, die sowieso schon für den Irrsinn ihrer Bücher bekannt ist, kann man das Ergebnis je nach Laune als "krasser Scheiß" oder "OMG dieses Buch hat der Teufel in die Welt gebracht" bewerten.

Aber seht selbst. Die Leseprobe fängt damit an, daß unsere Heldin Honey Winston, die als Computerexpertin für eine dieser allgegenwärtigen streng geheimen Geheimorganisationen arbeitet, gegen den Helden Rafael Navarro kämpft. Rafael arbeitet ebenfalls für die streng geheime Geheimorgansation und wird auch als "der spanische Hengst" bezeichnet. Gnnnnnnnhihi. Peinlichster Spitzname ever, oder? Wenig später stellen die beiden fest, daß sie Kollegen sind, und daß Honeys Chef gerade ermordet wurde (mit 37 Messerstichen; Honey hat nachgezählt). Dann macht Rafael das Licht an, und Honey sieht, daß er lange, glatte, glänzende schwarze Haare hat. Das ist blöd, denn vor meinem geistigen Auge sieht er jetzt wie Jorge Gonzalez aus...


...was, neben dem bescheuerten Spitznamen, seinem Status als romantischer Held ein wenig abträglich ist.

Dann verlangt Honey, daß Rafael sie küßt, weil sie von ihrer Mentorin in der streng geheimen Geheimorganisation gehört hat, daß diese einmal einen Orgasmus hatte, als sie von Rafael geküßt wurde. (Ich glaube, diesen Typen müßte man mal gründlich mit Sagrotan einsprühen, bevor man ihm auch nur die Hand schüttelt). Rafael küßt Honey.

Wer jetzt glaubt, unsere beiden Helden würden mal so langsam aus dem Quark kommen und die Polizei rufen - wir erinnern uns, toter Chef mit 37 Messerstichen - ist, wie sollte es anders sein, völlig auf dem Holzweg. Stattdessen kommt die Müllabfuhr der streng geheimen Geheimorganisation und räumt alles auf. Echt jetzt. Im Originaltext steht "Garbage detail".

Nachdem das geklärt ist, nimmt Rafael Honey mit zum Flughafen, denn da ihr Chef ja nun leider wegen der 37 Messerstiche ausgefallen ist, muß Honey ihn auf eine Mission begleiten. Ursprünglich sollte diese Mission in Griechenland stattfinden. Offenbar will eine kolumbianische Terrorgruppe namens Luz Roja etwas Böses tun. Eine marxistische Terrororganisation namens Revolutionary Strength kommt ihr aber zuvor und sprengt dort eine Bank in die Luft. Da aber fast zeitgleich in Dresden ein ganzer Häuserblock einschließlich einer dort ansässigen Bank explodiert, begeben sich unsere beiden wackeren Helden lieber dorthin.

Warum eine Bank in Dresden eine streng geheime amerikanische Geheimorganisation zur Hilfe ruft, wenn dort eine Bombe explodiert...? Äh, keine Ahnung. Auf jeden Fall ist der spanische Hengst ein super-duper Bombenexperte, denn wenig später äußert er die folgenden weisen Worte:

"Bomben sind wie wütende Schneeflocken, keine zwei sind gleich".

Tja. Während sich Rafael also auf die Suche nach der Schneeflocke der Bombe macht, setzt sich Honey mit ihrem Laptop in ein Café in einer Nebenstraße von Unter den Linden. Laut Google Maps gibt es diese Straße in Dresden übrigens nicht. Vielleicht hat Frau Adair Dresden mit Berlin verwechselt? Kann ja mal vorkommen.

Rafael und Honey stellen fest, daß aus der Bank nichts gestohlen wurde. Rafael will, daß Honey nach Hause fliegt, aber sie will nicht. Beide bewundern noch kurz und verstohlen gegenseitig ihre Schönheit, und dann ist das Leid die Leseprobe auch schon zuende.

Puh. Ich weiß absurde und abgefahrene Bücher ja durchaus zu schätzen, aber das hier ist wirklich ein wenig zuviel des Guten.

(Das Bild von Jorge Gonzalez habe ich auf Wikimedia Commons gefunden).

Samstag, 7. Juni 2014

Deirdre Martin: Power Play

Eric Mitchell ist der neue Starspieler einer (vermutlich, ich hab's nicht gegoogelt) fiktiven Eishockey-Mannschaft namens New York Blades. Leider spielt er jedoch ziemlich schlecht und hat einen schweren Stand bei seinen Mannschaftskollegen.
Monica Geary hat eine Hauptrolle in einer Seifenoper namens The Wild and the Free. Sie hadert mit mehreren Problemen: mit ihrem Anspruch an sich selbst als Künstlerin, denn sie denkt ständig, daß sie eigentlich Theater spielen sollte, aber auch mit der Tatsache, daß die Serie einen neuen Produzenten hat, der ihre silikonbrüstige neue Kollegin bevorzugt.
Da liegt es nahe, daß Monica und Eric eine heiße Affäre vortäuschen, um positive Presse zu generieren. Was anfangs aus ein paar gemeinsamen Restaurantbesuchen und einer Spendengala besteht, wird zu echter Freundschaft und Liebe. Allerdings nur, bis Eric einen Riesenfehler begeht und Monica von einer Katastrophe nach der anderen heimgesucht wird...

Also eins muß ich sagen: ich hatte einen Riesenspaß mit dem Buch, obwohl weder Eric noch Monica besonders sympathisch sind. Sie sind nämlich beide ziemlich egoistisch und teilweise auch eingebildet.

Erics erste Szene mit seinen Mannschaftskollegen - und die ist schon auf Seite 5 - geht beispielsweise so:

"Yo, the savior of the Blades has arrived."
Brimming with self-confidence, Eric Mitchell scanned the locker room, waiting for his new teammates to respond to his announcement. Instead, he was greeted by scowls, glares, and the unmistakable look of resentment. What the hell was wrong with these guys?

Also, der Typ wollte seinen Kollegen offensichtlich nicht nur einen Spruch drücken, der hat das ernst gemeint! Kraß, oder? Nach der Szene mußte ich bei Eric ständig an Kevin Kline in seiner Rolle als Otto in Ein Fisch namens Wanda denken, wie er voller Begeisterung an seinem eigenen Schweiß schnuppert.

Jedenfalls hat Eric wenig später einen winzigen Gastauftritt in Monicas Seifenoper. Das fördert seine Beliebtheit bei den Blades ungemein, weil die alle große Fans der Serie sind. Natürlich erzählt er keinem, daß er sich bei den Aufnahmen total blamiert hat und sein Versuch, Monica anzumachen, auch nicht ganz so gelungen war. Was bei seinen Sprüchen aber auch kein Wunder ist:

"You and I have something in common," Eric murmured. 
"What's that?" Monica asked, trying desperately to see past him to the clock on the studio wall. Three more minutes. She only had to endure three more minutes of small talk with the jock who thought he could act. Anything was doable for three minutes.
"We're both sexy," he whispered through hooded eyes. "You were voted 'One of the Sexiest Women in Daytime', and I was voted one of People magazine's 'Top Fifty Bachelors'."

Der Typ spricht also mit seinen Augen (erstaunlich) und er labert ziemlichen Quark. Aber nicht, daß ihr jetzt denkt, daß man das ganze Buch mit einem eingebildeten Widerling und einer arroganten Tussi als Protagonisten verbringt. Monica und Eric haben beide auch ihre sympathischen Seiten. Diese treten zutage, als die beiden mehr Zeit miteinander verbringen.

Monica braucht einige Zeit und einen derben Schock, um einzusehen, daß ihre Rolle bei der Seifenoper eigentlich ein Traumjob ist. Hach. Meine Mutter und ich haben früher immer so gerne The Guiding Light geguckt (lief in Deutschland als "Die Springfield Story"). Und dann die mexikanischen Telenovelas. Die sind so herrlich überspannt und übertrieben dramatisch. Ich wünschte, davon würden einige bei uns im Fernsehen laufen, anstatt diesem gehirnzellentötenden Schwachsinn wie "Berlin bei Tag und Nacht". Na was soll's. Ich hab sowieso nicht soviel Zeit zum Fernsehen.

Erics sportliche Leistungen sind eher mittelmäßig, aber er ist fest davon überzeugt, daß ihm Monicas Anwesenheit bei seinen Spielen - oder wenigstens die eines Abbildes von ihr - Glück bringt. Da der Ärmste aber öfters das Bedürfnis hat,sich vor seinen Kollegen aufzuplustern, dauert es nur bis etwa zur Hälfte des Buches, bis Monica mit ihm Schluß macht, weil sie gehört hat, wie er etwas absolut unverzeihliches sagt.

Der Rest des Buches beschäftigt sich damit, wie die beiden ihre jeweiligen Probleme bekämpfen und nach einigem Hin und Her wieder zueinander finden. Das ist spannend und unterhaltsam, und es gibt eine Menge gut beschriebener, netter und weniger netter Nebenfiguren. Als spaßigen Zeitvertreib kann ich Power Play wirklich empfehlen, aber wer liebenswerte Hauptfiguren sucht, die er ins Herz schließen kann, der sollte sich lieber ein anderes Buch suchen.

Freitag, 30. Mai 2014

Der Trend geht zur Gesichtsmatratze

Im Happy End Bücherblog habe ich einen Artikel zum Thema männliche Gesichtsbehaarung gefunden, dem ich weitestgehend zustimme.

Also, meiner Meinung nach gibt es nur zwei Arten von Menschen, bei denen solch ein Übermaß an Bärtigkeit angemessen ist: nämlich der Weihnachtsmann...



...und natürlich Bandmitglieder von ZZ Top...

(haben die flauschige Gitarren? Die haben flauschige Gitarren! Voll süüüüüß!)


Da fällt mir eine Anekdote aus meiner Kindheit in den 70er Jahren ein. Mein Onkel Werner (Name aus Datenschutzgründen geändert) trug einen Schnurr- und Vollbart. Das fand ich als kleines Kind sehr faszinierend, denn alle anderen Männer, die ich kannte - mein Vater, meine beiden Großväter, mein Urgroßvater und mein anderer Onkel - waren stets ordentlich glattrasiert. Eines Tages brachten meine Eltern aus dem Urlaub ein kleines Dekofigürchen mit, das einen Neanderthaler darstellte. Das Figürchen war aus Holz und hatte Haare und einen Bart aus schwarzem Fell. Als ich es zum erstenmal sah, so sagte man mir später, lachte ich vergnügt und rief "Onkel Werner!!" Der Original-Onkel Werner fand das gar nicht lustig...

Wie auch immer, im Happy End Blogpost drückt die Autorin auch ihre Hoffnung aus, daß die 70er Jahre-Tapeten nicht auch wieder modern werden. Und da muß ich leider widersprechen, denn ich fahre voll auf diese grellen Muster ab. Mein Kinderzimmer hatte beispielsweise so ein ähnliches Muster...




...allerdings mehr so in orange und gelb. Und in der Diele hatten wir so etwas:




Ok, davon wird einem leicht schwindelig, aber nur, wenn man es aus größerer Entfernung betrachtet. Und man sollte sie wohl besser nicht angucken, wenn man einen im Schlappen hat.

Aber wie auch immer: ich würde mir so eine hübsche orange-gelb-braune 70er Jahre Tapete sofort an die Wand kleben. Wenn ich tapezieren könnte und nicht viel zu faul dafür wäre!

Mittwoch, 28. Mai 2014

Bücher die man nicht lesen kann, Teil 9: Andrea Mertz: Raven - 4

Meine lieben Mitreisenden, ich wünsche Ihnen allen einen wunderschönen guten Morgen und freue mich, Sie auch heute wieder begrüßen zu dürfen!

Kann's losgehen? Super. Also, wir kommen zusammen mit Lianne und dem Raben an einer trostlosen, heruntergekommenen Fabrikhalle an, in die er mit seinem Auto hereinfährt. Aus der Tatsache, daß das Tor sich von alleine öffnet, schließt Lianne haarscharf, daß des Raben übersinnliche Kräfte da am Werk waren. Wäre ja auch voll uncool, wenn er einfach nur einen elektrischen Torheber mit Fernbedienung eingebaut hätte, ne?

Hier hat Lianne zunächst Gelegenheit, des Raben Zweit- und Drittwagen zu bewundern, bei denen es sich um einen Thunderbird High Back und einen Range Rover Evoque handelt. Oh, na klar, Herr Waldmann, ich mußte die auch erst googeln! Aber keine Sorge, nachher bekommen Sie noch einen "kleine Infobroschüre", hihi, vom literarischen Institut Sankt Infodumping. Diesmal mit Fotos. Tja, offenbar verdient man sehr gut bei der streng geheimen Geheimorganisation!

Hinter einer massiven Eisentür befindet sich schließlich die Wohnung vom Raben. Okay, meine Lieben, es ist Zeit für ein kleines Quiz. Für diejenigen unter Ihnen, die schon mal ein Romantic Suspense-Buch mit einem coolen, geheimnisvollen Helden gelesen haben, ist es bestimmt nicht schwierig. Also: was befindet sich hinter der Eisentür und wird vom Raben bewohnt: a) die ehemalige Waschkaue der Fabrik, in die er sich eine Matratze gelegt hat, oder b) die Treppe in den Keller, wo er in einem leeren Ölfaß schläft, oder c) ein megacooles Loft mit einer superschicken Einrichtung, die jeden Innenarchitekten in Tränen des Neids ausbrechen ließe?

Ja, richtig, es ist Antwort c! War doch gar nicht schwer zu erraten, oder? Und er züchtet sogar frische Kräuter auf der Fensterbank in der Küche...nein, Cheyenne-Kimberly, als ich dieses Buch zuletzt bereist habe, hatte der Rabe zumindest noch keinen schwulen Zwillingsbruder!

Leider hat Lianne nicht sehr viel Zeit, ihre neue Umgebung zu bewundern. Natürlich nimmt sie sie sich trotzdem, dafür kennen wir doch inzwischen unsere Heldin! Anschließend versucht sie, dem Raben zu helfen, der arg unter Fieber und Schüttelfrost leidet, sich aber weigert, einem Arzt Einlaß in sein Luxusdomizil zu gewähren.

Anschließend macht der Rabe ein zwei Tage langes Nickerchen, das aber nicht annähernd so erholsam ist, wie es sich anhört. Der Ärmste muß im Schlaf nämlich die Zeit seiner Gefangenschaft und Folter aufs Neue erleben. Obendrein wurde er in dieser Zeit auch noch mit geheimnisvollen Drogen traktiert, die ihn abhängig machten.

Als er wieder aufwacht, erblickt er als erstes Lianne und bewundert ihre blonden Haare und ihre auch ungeschminkt schwarzen Wimpern. Ja, Frau Klawuttke, ich finde das auch ganz erstaunlich! Aber wissen Sie was, es wird schon wieder Zeit für ein Quiz! Jawollo. Und danach dürfen Sie nach Herzenslust Gebrauch von diesem besonders großzügig ausgebauten Klischee-Aussichtspunkt machen. Also, es geht los. Unser gesundheitlich schwer angeschlagener Held hat fast zwei Tage lang geschlafen und hat zwischendurch nur hin und wieder mal Medikamente und Wasser von Lianne bekommen. Er hat grauenhafte Alpträume gehabt. Was will er nach dem Aufwachen als erstes: a) pinkeln, b) was auf die Gabel oder c) mit Lianne vögeln?

Natürlich ist Antwort c richtig! Nun ja, ich habe auch schon Bücher mit überraschenderen Wendungen gelesen. Aber immerhin hat Raven eine Handlung, und damit hat es so manch anderem Buch, wie beispielswese dem Telefonbuch oder Twilight, durchaus etwas voraus!

Lassen wir die beiden nun einen Moment alleine, um ihre Zweisamkeit zu genießen. Wir können uns unterdessen an der wundervollen Prosa dieses Buches ergötzen.

ihre Brüste wippten wie goldene Äpfel auf dem Baum der Versuchung

Hach. So etwas liest man nicht alle Tage, nicht wahr?

Leider hält das Glück nicht lange an, und nach dem Sex ist der Rabe schweigsam und verschlossen, was bei Lianne seitenlanges Nachdenken über das wieso und warum dieses fiesen Verhaltens auslöst. Aber ich glaube, wir sind jetzt alle bereit für einen leckeren Teller Bohnen auf labberigem Toastbrot, nicht wahr?

Machen Sie es gut. Bis morgen!

Freitag, 2. Mai 2014

Nennt mich Frosty Morgenmuffel

Im Romantic Times Magazin habe ich mal wieder was komplett beknacktes gefunden. Und zwar das hier:



Die Heldin heißt Gypsy Rum McQade, und ihr verstorbener Bruder hieß überraschenderweise nicht Glühwein oder Zigeunerschnitzel, sondern Mark. Aber - echt jetzt? Zigeuner Rum McQuade? Wer zum Teufel denkt sich so einen Namen aus? Und müßte sie nicht in "Spirituose nach Balkanart" umbenannt werden?

Der Held des Buches hat es aber auch nicht viel besser getroffen. Der heißt nämlich Rule Breaker. Das ist grundsätzlich ziemlich praktisch, da es als Warnung für alle dient, die mit ihm zu tun haben. In der Schule hat er bestimmt schon immer einen Tadel oder eine Strafe bekommen, bevor er was angestellt hat. Niemand geht mit ihm essen, da man schon vorher weiß, daß er rülpsen, furzen, den Kellner anpöbeln und seiner Begleiterin ins Dekolleté kotzen wird. Und ganz bestimmt wird ihm keine Fluggesellschaft jemals ein Ticket verkaufen...aber stellt euch mal vor, jeder würde so heißen, wie er ist.

Ich würde wahrscheinlich Frosty Morgenmuffel heißen, weil ich meistens friere, wenn alle anderen schon Hitzewallungen haben, und weil ich morgens, na ja, muffelig bin.

Mein Liebster hieße  wahrscheinlich Frikadellenvernichter. Oder König des Fluchens.

Meine Freundin H. könnte sich mit dem Namen Putzteufelina Frühaufsteherin schmücken...(H. und ich haben sehr gegensätzliche Angewohnheiten. Wir könnten nie zusammen in einer WG wohnen).

Und mein Chef? Wo Isser würde gut passen, oder Kettenraucher.

 Das System hat allerdings einen ganz wesentlichen Makel: wenn wir geboren werden und unsere Eltern uns einen Namen geben, dann wissen sie schließlich noch nicht, wie wir später mal werden. Also plädiere ich doch eher dafür, Kindern ganz normale Namen zu geben. Oder eben solche wie Kevin oder Cheyenne-Kimberly. Auch wenn mit letzteren eine Karriere als Scripted Reality-Opfer bei RTL 2 vorgezeichnet ist.

Donnerstag, 1. Mai 2014

Photoshopverbot für Außerirdische

Jetzt guckt euch doch mal bitte dieses Buchcover an.



So eine Verrenkung bekommt ein Mensch nie, nie, niemals hin. Nicht, wenn alle seine Knochen, Gelenke, Sehnen und Muskeln so funktionieren, wie es bei Menschen normalerweise der Fall ist. Ich vermute, daß Ellora's Cave die Covergestaltung outgesourced hat - nur leider an ein Lebewesen, das noch nie einen lebendigen Menschen gesehen hat.

Also, liebe Außerirdische: Hände weg von Photoshop!

Bücher die man nicht lesen kann, Teil 9: Andrea Mertz: Raven - 3

Hallöli, meine lieben Mitreisenden! Endlich geht's weiter im Buch Raven von Andrea Mertz! Ich hoffe, Sie sind alle topfit und voller Tatendrang, denn heute wird es sportlich. Wir springen und klettern von einem Klischee-Aussichtspunkt zum nächsten. Haben Sie alle festes Schuhwerk, Helme, Schutzbrillen und Schwimmwesten? - Ausgezeichnet, dann kann's ja losgehen!

Als erstes gehen wir ins Krankenhaus, denn dort wurde Lianne hingebracht. Obschon ihre Verletzungen harmlos sind und keiner weiteren medizinischen Aufmerksamkeit bedürfen, wurde sie dort in einem Einzelzimmer untergebracht und wird von einer resoluten, aber herzlichen Krankenschwester umsorgt. Respekt, britisches Gesundheitssystem!

Lianne hat gerade Besuch, denn ihre Kollegen von der Zeitung sind da. Dabei stellt sich heraus - ja, meine Lieben, hier ist unser erster Klischee-Aussichtspunkt, bitte nicht drängeln, jeder kann ein Foto machen - daß der Pressefotograf der Zeitung in Lianne verknallt ist. Sie mag ihn aber nur als Freund, weil sie überhaupt noch nie wirkliche Leidenschaft für einen Mann empfunden hat und Sex für total überbewertet hält.

Wenig später werden Liannes Kollegen von der resoluten aber herzlichen Krankenschwester vertrieben, und Lianne - ja, genau, dies ist schon der nächste Klischee-Aussichtspunkt. Bitte betreten Sie den immer nur zu zweit. Es ist ein bißchen eng. Also Lianne sinnt vorm Einschlafen - holy moly! - darüber nach, wie sinnlich und wundervoll sich des Raben Körper während der Rettungsaktion an ihrem angefühlt hat. Sie stellt sich vor, wie sie mit ihm (total überbewerteten?) Sex hat, und beschließt, ihn zu suchen.

Indessen beobachtet der Rabe das Krankenhausvon seinem Auto aus. Er ist ein körperliches Wrack und hält sich nur mit Hilfe von aus einer Apotheke geklauten Tabletten wach. Er war nämlich monatelang in Gefangenschaft, wo man ihn grauenvollen Versuchen und Tests an Körper und Geist ausgesetzt hatte. Jetzt ist seine Erinnerung lückenhaft wie ein Schweizer Käse und seine körperlichen Kräfte schmelzen dahin wie das Eis am Polarkreis.

- Ja, Herr Schneider, ich finde auch, daß er sich als Frau verkleiden und sich einfach in Liannes Krankenbett legen und von der resoluten aber herzlichen Krankenschwester umsorgen lassen sollte. Der arme Kerl bricht uns noch zusammen! Nein, Scherz. Wir wollen doch Action sehen, stimmt's?

Oh, bevor ich's vergesse. Haben Sie alle Ihre Rucksäcke mit? Ausgezeichnet. Dann verteile ich jetzt mal die heutige Broschüre des literarischen Instituts Sankt Infodumping. Sie haben recht, Frau Klawuttke, 15 Kilogramm sind schon sehr viel für eine sehr klein und auf ganz dünnem Papier gedruckte Infobroschüre. Aber was soll man machen, dem Raben geht eben sehr viel durch sein lückenhaftes Gedächtnis. Seien Sie froh, daß er so viel vergessen hat, sonst bräuchten wir einen Gabelstapler, um die Broschüren zu transportieren.

Also, der Rabe wurde nach dem Anschlag auf seine streng geheime Geheimorganisation gefangen genommen, ist getürmt und wurde irgendwann in Bulgarien ausgesetzt. Zurück in England traute er sich nicht, sich bei der streng geheimen Geheimorganisation zu melden, weil er davon überzeugt ist, daß sie einen Maulwurf haben.

Der Rabe - aber sicher, hier können Sie wieder einige sehr hübsche Klischee-Fotos machen - hat seinen Glauben an die Menschheit schon in seiner schlimmen Kindheit verloren, denn er wuchs in Heimen und bei Pflegeeltern auf, und sein Pflegevater tötete seinen einzigen Freund, einen Raben namens Charlie.

Außerdem findet er Lianne wunderschön und sexy, aber hält nichts von Beziehungen...ja, Klischeefotos. Ein Glück, daß die Digitalkameras erfunden wurden, nicht wahr? Sonst müßten Sie alle fünf Minuten einen neuen Film einlegen...wo war ich? Genau. Also, der Rabe hält nichts von Beziehungen, weil er frei sein will und alle Frauen entweder eiskalt und herzlos sind oder anfangen zu klammern.

Plötzlich stellt er fest, daß ein großer schwarzer BMW vorm Krankenhaus hält und drei Männer aussteigen, die dunkel gekleidet sind und die Mantelkragen hochgeschlossen haben. Nun, höchstwahrscheinlich waren die T-Shirts mit der Aufschrift "WIR SIND VERBRECHER UND HABEN ES AUF LIANNE ABGESEHEN" gerade in der Wäsche. Das macht aber gar nichts, denn der Rabe weiß natürlich sofort, was diese Herren im Schilde führen.

Der Rabe macht sich auf die Socken zu Liannes Zimmer, von dem er unerklärlicherweise weiß, wo es sich befindet. Lianne und der Rabe starren sich ungefähr 20 Minuten bzw. 1 1/2 Buchseiten lang an und sinnen darüber nach, wie geil sie sich gegenseitig finden und welch wunderschöne Augen die jeweils andere Person hat. Anschließend läßt der Rabe Lianne wissen, daß sie sofort mit ihm mitkommen muß, weil sie in Gefahr ist, daß er ihren Bruder kennt und daß er Raven genannt wird.

Bevor sie sich auf den Weg machen, folgt noch der überflüssigste Infodump der Geschichte, in dem eine halbe Seite lang alles beschrieben wird, was der durchschnittliche Mitteleuropäer mit Raben assoziieren kann. Also zum Beispiel die Mythologie der Wikinger, nach der der Chefgott Odin jeden Morgen seine Raben Hugin und Munin aussandte, die ihm dann abends die neuesten Nachrichten zurückbrachten. Deshalb nannte man Odin auch Hrafnagud, den Rabengott. - Hey! Aufwachen! Sie werden doch wegen ein paar vollkommen überflüssiger Informationen nicht gleich einnicken! Tsktsk.

Einige Seiten unwichtiger Informationen und beknackter Dialoge weiter, verlassen unsere beiden Helden endlich das Krankenzimmer.

Halten Sie Ihre Kameras bereit, meine Damen und Herren, denn jetzt kommt eins meiner - und sicherlich auch gleich Ihrer - Lieblingsklischees. Ein echter Klassiker. Einfach wundervoll.

Die Bösewichte sind im Anmarsch, und damit sie Lianne und den Raben nicht bemerken, packt er sie und küßt sie. Viele, viele Zeilen lang. Und viele, viele weitere Zeilen lang denkt Lianne darüber nach, wie wundervoll dieser Kuß war, und was es damit auf sich hatte.

Wenig Zeit und viele langweilige und überflüssige Gedankengänge später schaffen es unsere beiden wackeren Helden, das Krankenhaus zu verlassen. Leider gibt es dabei eine Schießerei und die Bösewichte sind ihnen auf den Fersen. Also türmen die beiden in einem geklauten Lieferwagen. Es gibt eine Verfolgungsjagt, die spannend und voller Action wäre, wenn sie nicht ständig von Liannes ziemlich dämlichen Gedankengängen unterbrochen würde.

Während Lianne noch darüber nachdenkt, ob sie sich einen Hund anschaffen soll, kommen sie und der Rabe bei dessen eigenem Auto an fahren damit weiter.

Der Rabe schafft es schließlich, die Verbrecher los zu werden und bringt Lianne zu seiner Wohnung, wo schon die nächsten Klischees auf uns warten. Aber das sparen wir uns für den nächsten Tag auf, denn jetzt wollen wir sicher alle ins Hotel und uns mit einem leckeren Teller Bohnen stärken!

Bis morgen, meine lieben Mitreisenden!

Sonntag, 9. März 2014

O tempora, o mores...

Es ist ein Skandal! Offensichtlich müssen heutzutage selbst jahrhundertealte Jedi-Meister aufgrund zu kleiner Renten in prekären Verhältnissen leben und auf sehr zweifelhafte Weise ein wenig Geld hinzuverdienen.

Wir alle kennen Yoda so...


...doch kaum jemand weiß, daß er inzwischen sein Geld mit dem Versenden von Spam- bzw. Phishing-Mails verdient!


Samstag, 25. Januar 2014

Bücher die man nicht lesen kann, Teil 9: Andrea Mertz: Raven - 2

Guten Morgen meine Damen und Herren, liebe Kinder. Ich hoffe, Sie hatten eine angenehme Nachtruhe und können ausgeruht und gestärkt in den zweiten Tag unserer Rundreise durch das Buch Raven von Andrea Mertz starten!

Wir haben einen kleinen Zeitsprung gemacht und befinden uns 11 Wochen nach dem Prolog in London. Wir begleiten zunächst die junge Reporterin Lianne Morgan. Sie erinnern sich: Lianne ist die kleine Schwester von Frank Morgan. Die Ärmste leidet sehr darunter, daß ihr Bruder verschwunden ist. - Ja Cheyenne-Kimberly, ich finde Liannes Schlangenledersandaletten auch voll geil. Nein, bleib bitte stehen und lauf nicht zu Lianne. Wir sind doch hier nicht in einem Jasper Fforde-Buch! - Äh, keine Ahnung, ob Lianne die Schuhe bei Zalando bestellt hat!

Wo war ich stehengeblieben? Genau. Lianne wartet gerade auf den britischen Außenminister, mit dem sie ein Interview führen soll. Lianne hat vor dem Interview schon mit einem kaputten Auto, einem verpaßten Bus, einem überfüllten Bus und einem Beinahe-Überfall gekämpft, und obwohl sie schon ziemlich erschöpft ist, fällt ihr am Außenminister, William Hague, sofort alles Wichtige auf. Beispielsweise, von welchem Designer sein Anzug ist. Lianne befragt den Außenminister über die Situation in Libyen, erfährt aber nichts, was sie nicht schon wußte oder sich hätte denken können. Tja, wäre sie mal Tabloid-Reporterin geworden. Da hätte sie sich die schönsten Schlagzeilen einfach ausdenken können.

Zuletzt stellt Lianne Herrn Hague noch eine Frage über Franks streng geheime Geheimorganisation, die Shadow Force. Er gibt aber vor, darüber nichts zu wissen. Gegen Ende des Interviews, der Minister ist schon gegangen, bekommt Lianne eine Panikattacke, und wenig später explodiert etwas, so daß das ganze Gebäude ins Wanken gerät.

Gehen wir nun in die Tiefgarage desselben Gebäudes. Da ist unser Held Raven gerade dabei, einige Sprengsätze zu entschärfen. Sehen Sie - oh, ich verteile erstmal die Unterlagen des literarischen Instituts Sankt Infodumping für den heutigen Tag. Jaja, so dick wie fünf Hotelbibeln. Die Jungs von Sankt Infodumping scheuen eben weder Kosten noch Mühen, um Sie, meine sehr verehrten Gäste, mit allen wichtigen und unwichtigen Fakten zu versorgen!

Also, Raven hat irgendwie von dem Anschlag auf die Londoner City Hall und von Liannes Termin in just diesem Gebäude gewußt. Und natürlich wollte er die Menschheit im Allgemeinen und Lianne im Besonderen beschützen. Deshalb hat er ihr Auto sabotiert und versucht, alle Bomben zu entschärfen. Aber - Heilige Hölle! - es ist ihm nicht gelungen.

Ja, Sie haben recht. Der Typ kann einfach nicht fluchen. Er ist schon dreimal durch die Prüfung in der Wessel-Akademie für korrektes Fluchen und schlimme Wörter gefallen, der arme Kerl. Aber niemand kann alles, nicht?

Wenig später bricht wegen einer weiteren Explosion alles zusammen und der Rabe rennt los, um Lianne zu retten.

Diese hat sich, da die Explosion sie zu Boden geworfen hat, erstmal hingelegt, und läßt die Mutter aller Infodumps los, während sie darauf wartet, daß der Rabe sie abholt. - Oh nein, sie weiß natürlich nicht, daß sie auf ihn wartet. Sie kennt ihn ja noch gar nicht.

Wenig später findet dieser tatsächlich unsere wackere Heldin, packt sie und trägt sie weg. Unterwegs retten sie noch ein paar andere Leute, bevor sie es dank der übersinnlichen Fähigkeiten sowie der Sprungkraft des Raben schaffen, das Gebäude zu verlassen.

Anschließend schläft Lianne in Ravens starken Armen ein. Er setzt sie irgendwo ab und türmt. Anschließend - ja, das sind die nächten 30 Seiten in Ihrer Broschüre - läßt er selbst erst mal einen ganz gepflegten, ausgiebigen Infodump ab. Ja, das haben Sie sehr gut erkannt, Frau Klawuttke. Für die Charaktere in diesem Buch sind Infodumps ebenso entspannend, wie ein langes heißes Bad für lebendige Menschen!

Der Rabe weiß also, daß jemand sowohl den Minister als auch Lianne abmurksen wollte. Davon abgesehen geht es ihm schlecht und alles tut ihm weh, so daß er schleunigst in seine Unterkunft auf Zeit flüchten will. Während er sich also verletzt, blutend, mit in Fetzen hängender Kleidung und vor Fieber glühend durch London schleppt, denkt er ganz ausgiebig darüber nach, wie wunderschön und sexy er Lianne findet, und was er für ein cooler Einzelgänger ist, der nicht am Leben hängt. - Oh, ja genau, das ist schon einer von unseren Klischee-Aussichtspunkten. Machen Sie gern so viele Fotos, wie sie möchten.

Nun, meine lieben Mitreisenden, das war ein ganz schön anstrengender Tag für unsere Protagonisten! Während sie sich erholen, wünsche ich Ihnen einen wunderschönen Abend in der Weltstadt London, und wir sehen uns morgen früh vor Ihrem Hotel in alter Frische.

Tschüssikowski!

Donnerstag, 9. Januar 2014

Caroline Linden: Love and Other Scandals

Im London des Jahres 1822 ist Joan Bennet eine junge Dame aus guter Familie, die drauf und dran ist, sich in ihr Schicksal als Mauerblümchen zu fügen und sich damit abzufinden, daß alle außer ihrer Familie und ihren Freundinnen sie für eine unvorteilhaft gekleidete, ungeschickte Person mit der Figur einer Walküre halten. Ihre Zeit vertreibt sie sich mit Sticheleien gegen ihren Bruder und dem Lesen skandalöser Pamphlete, die sie heimlich mit ihren Freundinnen tauscht. Durch Zufall trifft sie Tristan Burke, einen Jugendfreund ihres Bruders, der - ich borge mir hier mal einen Ausdruck aus einem anderen Buch - als gefühlloser Frauenvernascher gilt. Und obwohl die beiden zunächst beschließen, daß sie keinen weiteren Kontakt haben sollten, treffen sie sich immer öfter und werden erst Freunde und dann Liebende...

Ja, das ist mal wieder ein Caroline Linden-Roman, den ich so richtig genossen habe. Es gibt wenig Action, wenig Drama und schon gar keine Intrigen, finsteren Geheimnisse oder einen Bösewicht. Es geht einfach um zwei junge Menschen, die sich verlieben. Für den einen oder anderen klingt das vielleicht langweilig, aber das ist es überhaupt nicht. Es ist einfach nur wundervoll und soooooo romantisch, daß ich das Buch am liebsten gleich noch mal lesen würde.

Was ich besonders bemerkenswert an dem Buch finde, ist, daß die Charaktere so normal sind. Joan hat eine Mutter, einen Vater und einen Bruder, die sie liebt und die sie lieben. Niemand versucht, Joan, sagen wir mal, an einen sadistischen Lustgreis zu verschachern.

Mir ist aber auch noch aufgefallen, daß Joan und ihre Zeitgenossen sich, soweit ich das beurteilen kann, tatsächlich weitestgehend wie Menschen des frühen 19. Jahrhunderts verhalten. Joan ist 24, aber sie unterliegt allen möglichen Zwängen, denen eine 24jährige der heutigen Zeit niemals unterwerfen würde. Sie ist in jeder Hinsicht von ihren Eltern abhängig. Sie darf nirgendwo alleine hingehen, und sie hat - bis auf etwas Taschengeld - keine eigenen finanziellen Mittel.

Dazu gehören auch die äußerst strengen Moralvorstellungen, die man dieser Zeit nachsagt und die es sicherlich auch so gegeben hat. Joan und Tristan treffen sich einige Male, und haben auch Gelegenheit, alleine miteinander zu sprechen, aber das ist immer schwer und nur mit Hinterlist zu bewerkstelligen. Ich erinnere mich an ein Buch - ich glaube, es war ein Gaelen Foley-Buch - in dem die Heldin nach einem leidenschaftlichen Treffen mit dem Helden mit einem falschherum zugeknöpften Kleid herumläuft und ihre 4 oder 5 Brüder dies bemerken und wohlwollend schmunzeln.

Das ist hier ganz anders. Gegen Ende des Buches haben Joan und Tristan eine heiße Begegnung auf einem Ball, oder genauer gesagt, in einem abgelegenen Zimmer des Hauses des Gastgebers. Da wissen und akzeptieren aber beide auch schon vor dem Akt, daß es Konsequenzen in Form einer sehr hastig geschlossenen Ehe geben wird, wenn jemand davon erfährt.

Und der Weg dahin ist wirklich bezaubernd beschrieben. Es gibt tolle Dialoge, denn sowohl Joan als auch Tristan und die meisten Nebenfigurgen können recht clever und spitzzüngig sein. Nach und nach sucht Tristan immer mehr Joans Nähe und denkt sich kleine Geschenke oder Ausflüge für sie aus, nur weil er denkt, daß sie daran Spaß haben wird. Es gibt keine Heucheleien, keine Intrigen und keine TSTL-Aktionen.

Love und Other Scandals ist einfach ein romantisches Wohlfühl-Buch, das ich jedem, der Historicals mag, wärmstens empfehlen kann.

Sonntag, 5. Januar 2014

Maggie Robinson: Lady Anne's Lover

Im Jahr 1820 ist Lady Imaculata Anne Egremont ist eine skandalumwitterte junge Dame auf der Flucht vor ihrem grausamen Vater. Vor diesem will sie sich verstecken, indem sie als Haushälterin auf dem ebenso abgelegenen wie baufälligen walisischen Landgut von Major Gareth Ripton-Jones arbeitet. Die Tatsache, daß sie als reiche junge Dame noch nie auch nur eine Tasse Tee selbst gekocht hat, erscheint ihr dabei nebensächlich. Allzu gut scheint Annes Tarnung als Haushälterin jedoch nicht zu sein, denn obschon der gute Gareth meistens schon mittags hackendicht ist (auf hochdeutsch: er ist ein Alkoholiker) durchschaut er sie innerhalb weniger Tage. Wie gut, daß die beiden sich ineinander verlieben und obendrein jeder von beiden genau das hat, was der andere braucht: Anne hat Geld, das Gareth dringend braucht, und Gareth kann Anne vor ihrem bösartigen Papa beschützen. Jetzt müssen sie nur Gareth von der Sucht heilen, einen fiesen, biestigen Geistlichen auf ihre Seite ziehen und herausfinden, wer versucht, die Überreste von Gareth' Bruchbude in Schutt und Asche zu legen...(kein Spoiler, aber es ist nicht Tine Wittler).

Nachdem mir das letzte Buch von Maggie Robinson ja trotz seiner überaus unsinnigen Handlung sehr gut gefallen hatte, hatte ich mir direkt Lady Anne's Lover bestellt. Das ließ sich auch sehr flüssig und gut lesen, und es war wirklich unterhaltsam - aber für meinen Geschmack war es von allem einfach ein bißchen zuviel. Anne hat ein sehr schlimmes Schicksal erlitten, und normalerweise müßte eine Romanfigur mit ihrer Lebensgeschichte das Mitgefühl des Lesers wecken, und man müßte mit ihr hoffen und bangen, daß ihr nichts Schlimmes mehr zustößt. Aber ihre Probleme werden recht oberflächlich abgehandelt. Damit will ich jetzt nicht sagen, daß ich mir einen pädagogisch wertvollen Roman wünsche, der so traurig ist, daß mir gleich einen Strick nehmen will (wenn ich das wollte, könnte ich ja was von Hemingway lesen). Aber Annes Umgang mit ihrem Problem ist so unverzagt, daß man es gar nicht mehr richtig ernst nehmen kann. Dazu kommen noch einige Aktionen, die so TSTL sind, daß sie sich auch gleich eine große Goldkette mit just diesen Buchstaben um den Hals hängen und wie ein 90er Jahre-Rapper um eine brennende Mülltonne tanzen könnte.

Mit Gareth wird genauso verfahren. Gareth ist ein Kriegsveteran mit eineinhalb Armen und einem massiven Alkoholproblem. Außerdem ist er auch noch total pleite und ziemlich depri, weil seine große Liebe ihn im Stich gelassen hat. Wenn man all das bedenkt, geht er doch recht unbekümmert mit der Situation um. Und dann hat es mich auch noch ein wenig gewurmt, was der gute Gareth alles machen durfte. Es gibt einfach ein paar Dinge, die ein Mann mit nur einem Arm nicht kann, zumindest, solange er keine Prothese benutzt. Ich bin mir sicher, daß er keine erwachsene Frau eine Leiter oder eine steile Holztreppe herauftragen könnte. Genau das passiert aber, wenn ich mich recht erinnere, mehrmals.

Lady Anne's Lover ist für mich das literarische Gegenstück zu einem McDonald's-Menü. Hin und wieder hat man mal Bock auf so ein Essen, und es schmeckt auch gut. Aber hinterher fällt einem auf, daß es eigentlich zu fettig, zu salzig und zu alles war, und daß man höchstwahrscheinlich davon aufstoßen muß.

So. Ein paar Worte möchte ich noch über das Buchcover verlieren. Soweit ich weiß, haben Autoren keinen Einfluß auf die Buchcover, also trägt Frau Robinson hier keine Schuld. Aber das Cover ist zweifellos das, was man auf Neudeutsch als epic fail bezeichnet. Darauf ist ein Typ abgebildet, der ein bißchen wie Brad Pitt nach einer 5-tägigen Sauftour aussieht, mit strähnigen Haaren und kaltem Schweiß im Gesicht, aber immerhin rasiert. Soweit paßt das schon, denn Gareth ist ja ein Alkoholiker. Was mir aber sehr übel aufgefallen ist, ist die Abbildung von Big Ben und den Houses of Parliament.

Clock.tower.from.westminster.br.arp.750pix (squared)

Hätten die Covergestalter sich mal 5 Minuten Zeit genommen, um auf Wikipedia nachzuschauen. Dann hätten sie blitzschnell festgestellt, daß es diesen Glockenturm 1820 noch gar nicht gab, und daß die Gebäude damals auch noch ganz anders aussahen!

Dazu kommt, daß das Buch zum allergrößten Teil in einem völlig abgelegenen Dorf in Wales spielt. Nach London begeben sich unsere Helden erst auf den allerletzten paar Seiten.

Doofes Cover.


Samstag, 4. Januar 2014

Bücher die man nicht lesen kann, Teil 9: Andrea Mertz: Raven - 1

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kinder, herzlich willkommen auf unserer Rundreise durch das Buch Raven von Andrea Mertz. Mein Name ist Susi, und ich bin Ihre Reiseleiterin.

Lassen Sie uns zunächst ein paar organisatorische Details besprechen, bevor wir uns ins Vergnügen stürzen. Für Ihre Übernachtungen haben wir Ihnen Zimmer im 4 Sterne-Hotel "The Mishapen Metaphor" in London gebucht, und selbstverständlich gehört dazu auch die Halbpension, wobei Sie morgens und abends jeweils zwischen Bohnen mit Toast oder Toast mit Bohnen wählen können. Abends wird Ihnen dazu gratis ein Glas warmes Bier ohne Schaumkrone gereicht.

Hin und wieder werden wir an einigen wohlbekannten Klischees vorbeikommen. An diesen Stellen haben wir für Sie sogenannte Klischee-Aussichtspunkte eingerichtet, damit Sie ein paar besonders schöne Fotos machen können. Selbstverständlich werde ich Sie jeweils rechtzeitig auf die Aussichtspunkte aufmerksam machen.

Beginnen wir unsere Rundreise nun mit dem Prolog, der in Libyen spielt. Wie Sie sehen, wird er aus der Sicht eines gewissen Frank Morgan, genannt Eagle, erzählt. Er denkt auf einer Fahrt durch die libysche Wildnis an seine Schwester Lianne, die Heldin des Buches. Dadurch erfahren wir, daß Lianne eine attraktive, kluge und modebewußte Frau mit einem Schuhtick ist, und daß sie eine Reporterin ist.

Hier sehen Sie, wie Frank und seine Kollegen, die alle übersinnliche Fähigkeiten haben und einer streng geheimen Geheimorganisation angehören, in einen Kampf geraten, in dem zunächst einmal ihr Jeep explodiert.

Ah, sehen Sie, hier kommt schon der nächste Protagonist. Es ist John McDermott, genannt Raven. Er besitzt genau wie Frank übersinnliche Fähigkeiten und ist Mitglied der streng geheimen Geheimorganisation.

- Ja, die Dame mit der hellblauen Leinenjacke - Frau Schneider, nicht wahr? - Sie haben eine Frage?

- Nun, wir haben einen Adler und einen Raben, da erscheint es mir durchaus logisch, anzunehmen, daß die Autorin weitere Bücher über übersinnlich begabte Helden mit Vogelnamen plant. Ich kann Ihnen leider noch nicht sagen, ob auch ein Geier, ein Huhn und ein Kanarienvogel dabei sein werden. Ich persönlich finde die Idee ganz bezaubernd, der Kanarienvogel könnte beispielsweise ein Opernsänger sein...nur die Sache mit dem Geier wäre ein wenig unappetitlich, finden Sie nicht? Aasfressen ist ja so unsexy.

So, jetzt gebe ich Ihnen erstmal eine Broschüre des literarischen Instituts Sankt Infodumping. Wenn Sie sich die Broschüre nachher in Ruhe durchlesen, werden Sie alles über Wesen und Geschichte der streng geheimen Geheimorganisation erfahren. Fürs erste reicht es, wenn Sie im Hinterkopf behalten, daß sie als Shadow Force oder auch Schattenkrieger bezeichnet wird und ein Teil des britischen MI6 ist.

- Ja, Herr...äh...Waldmann?

Oh, sie haben natürlich recht. Ich finde es auch etwas...ungewöhnlich, daß unsere großen, starken Alphahelden den Tod eines Kumpels und des Fahrers des soeben explodierten Jeeps mit "Verdammter Mist" und "Das kannst du laut sagen" kommentieren, und dem guten Frank ansonsten höchstens mal ein "holy moly" entfleucht. Vielleicht hat die Autorin nicht gewußt, wie man "fuck" oder "scheiße" buchstabiert?

Okay, ich muß jetzt noch mal eine Unterlage vom literarischen Institut Sankt Infodumping verteilen. Helfen Sie mir mal tragen, Herr Kaczmarek? Danke. Ja, die sind schwer. Dick wie Telefonbücher. Also, lassen Sie uns mal kurz (hihi) querlesen. Der Rabe ist davon überzeugt, daß es unter den Schattenkriegern einen Verräter gibt, der sie immer wieder in Fallen lockt. Wir erfahren, daß der Rabe in den Augen des Adlers ein hochgewachsener, sturer und wortkarger Schotte ist, den er zunächst für einen arroganten, selbstgefälligen, oberflächlichen Draufgänger und gefühllosen Frauenvernascher (ja, ein süßer Ausdruck, nicht?) hielt. In Wirklichkeit ist er aber 'n ganz netten Kerl, der intelligent, loyal und verläßlich ist. Der Adler glaubt nun auch, daß es einen Verräter gibt, aber auf gar keinen Fall kann es der Rabe sein.

So. Hier sehen Sie nun, wie der Rabe sein Maschinengewehr wegschmeißt und die Feinde mittels seiner übersinnlichen Kräfte in die Flucht schlägt. Hier tauchen noch zwei Schattenkrieger auf, ein Falke und ein Habicht. Diese beiden werden von Frank angewiesen, sich und einige Verletzte mit einem noch fahrtüchtigen Jeep in Sicherheit zu bringen und einen Hubschrauber zu rufen, der Frank  und John vom Ort des Kampfes abholt.

Oh! Hier haben wir ein besonders schönes Exemplar von...nun, ich kann wirklich nicht sagen, was das ist...aber sehen Sie selbst:

Ravens Wangenknochen mahlten, doch er schwieg.

Mahlende Wangenknochen! Wer weiß, wo der gute Rabe noch überall Gelenke hat, wo Normalsterbliche keine haben.

Aber Scherz beiseite. Der arme Frank verspürt urplötzlich am ganzen Körper unerträgliche Schmerzen, die offenbar durch einen bösen Menschen mit übersinnlichen Fähigkeiten verursacht werden. Der Rabe hat offensichtlich das gleiche Problem. Franks letzter Gedanke gilt seiner Schwester Lianne, dann verliert er das Bewußtsein und der Prolog ist vorbei.

Nun, meine Damen und Herren, liebe Kinder, das war doch mal ein furioser Einstieg in das Buch! Und morgen geht es gleich mit ganz viel Action weiter. Wir treffen uns um 9 Uhr vor dem Hoteleingang. Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend und eine angenehme Nachtruhe!