Donnerstag, 7. Juli 2011

Aus dem Tagebuch einer Regency-Romanheldin, Teil 3

Liebes Tagebuch,

ich bin so aufgeregt! Als Mama und Papa und mein Bruder Kevin und ich auf dem Ball von Lady Sandcastle ankamen, war mir ganz schlecht, so schlecht, daß ich in eine Topfpalme kotzen speien mußte. Vielleicht ist mir Mamas Hustensaft auch nicht bekommen. Mama hat mich gezwungen, mir den Mund mit Rosenwasser auszuspülen und ein halbes Pfund Veilchenpastillen zu essen.

Dann hat mich Papa an der Schulter gepackt und mich umgedreht und mich Lord Festerwart vorgestellt. Er ist uralt! Mindestens 35. Er hat rote Haare und sein Halstuch hatte einen Fleck. Ich war noch niemals in meinem ganzen Leben so schockiert!

Lord Festerwart hat meine Brüste mein Dekolleté gefragt, ob ich oft hierherkomme.

Ich sagte nein, so gut kennen wir Lady Sandcastle doch gar nicht und ich denke, sie schließt ihren Ballsaal ab, wenn sie ihn nicht benutzt.

Dann wollte er wissen, wie spät es ist. Ich meinte, es könne höchstens so 7 oder 8 Uhr abends sein, weil die meisten Gäste noch nüchtern waren und noch niemand am Buffett seine Perücke, sein Gebiß oder seine Unschuld verloren hatte.

Danach hat Lord Festerwart mein Dekolleté gefragt, ob ich mit ihm tanzen will, und Papa gab mir einen Schubs, so daß ich mit ihm mitgehen mußte. Aber ich glaube, Lord Festerwart wollte gar nicht tanzen. Nach zwei, drei Runden durch den Ballsaal ist er mit mir auf die Terrasse gewalzt gewalzert getanzt.

Er hat gesagt, daß er mir einen Stern zeigen will, der meinen Namen trägt. Ich war überrascht; wer hätte gedacht, daß es einen Stern namens Mandy Cheatbridge gibt? Den Stern habe ich dann aber doch nicht gesehen, kein Wunder, es war ja auch bewölkt und hat ein wenig geregnet. Typisch englisches Aprilwetter eben.

Während ich noch über meinen Mandy-Stern nachgrübelte, hat mich Lord Festerwart plötzlich gepackt! Seine Hände waren auf einmal überall! Auf meinem…äh…verlängerten Rücken und an meinen Beinen und auf meinem Dekolleté. Und er hat versucht, mir seine Zunge in den Mund zu stecken! Pfui! Ich glaube, er hatte vorher Fisch gegessen! Sollte ein Gentleman nicht Schokolade oder Kuchen essen, bevor er einer Dame seine Zunge in den Mund steckt?

Ich habe versucht zu schreien und ihn wegzustoßen und nach ihm zu treten. Dabei ist mein Schuh von meinem Fuß geflogen und hat einen Gentleman am Schienbein getroffen, der gerade die Terrasse betrat. Das war so peinlich! Eine anständige junge Dame sollte sich niemals in der Öffentlichkeit ohne Schuhe sehen lassen.

Der Gentleman hat meinen Schuh aufgehoben und mir direkt ins Gesicht geschaut. Oh! Was für ein hinreißender Mann! Er ist noch jung, höchstens 35. Er hat glänzende schwarze Haare und eine vorwitzige Locke, die ihm in die Stirn fällt. Er hat mich mit mit seinen smaragdgrünen Augen angeschaut und ich habe ihn angeschaut und oh – er ist ja so attraktiv! Dann hat er Lord Festerwart am Kragen gepackt und über das Geländer der Terrasse in einen Rosenstrauch geworfen. Danach ist er auf mich zugekommen und hat nach mir gegriffen….

…oh, ich muß den Rest morgen aufschreiben. Wenn ich jetzt nicht schlafe, bin ich morgen mittag ganz müde, wenn Bella mich wecken will, und dann ist sie wieder sauer und versucht, meine Katze im Nachttopf zu ertränken

6 Kommentare:

  1. Hallo SusiB!

    Deinen Blog habe ich über Evi/Zwillingsleiden entdeckt und gleich abonniert. Und eigentlich bin ich nur eine stille Mitleserin, aber dieser Tagebucheintrag hat mich gerade sehr erheitert und mir meinen Morgen versüßt.

    Freue mich schon auf weitere Einträge...

    Liebe Grüße,
    Sabine

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  2. Na hoffentlich hat der höchstens-35-Mann wenigstens Schokolade vorher gegessen, so wie es sich gehört. :-D

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  3. Was so eine Stirnlocke doch alles ausmacht!

    Und ich bin sehr froh, dass die gute Mandy früh genug schlafen gegangen ist, um ihrer Katze das Leben zu retten. So ein fürsorgliches Mädchen ... :D

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  4. An Mamas Hustensaft hat Mandys Unwohlsein doch nicht gelegen! Vermutlich hat der Kutscher einfach nicht aufgepasst und ihr ist von der Kutscherei-Schunkelei schlecht geworden!

    So ein uralter Lord. Kein Wunder, dass ihr der mit smaragdgrünen Augen gesegnete junge Gentleman zu Hilfe eilte. Und besonders nett ist es, dass er über ihre peinliche Schuhlosigkeit hinweggesehen hat. Ist das Leben nicht schön (und bleibt es hoffentlich auch für Mandys Katze!)!

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  5. Hallo Sabine und Beipackzettelleserin, schön, daß ihr vorbeischaut und mitlest :-)

    Winterkatze - ich bin mir gerade nicht sicher, ob du ab und zu gern Regency-Romane liest, aber falls ja: ist dir schon mal aufgefallen daß 99 % der Helden so eine Stirnlocke haben?

    Natira - kann natürlich sein, daß Mandy in der Kutsche schlecht wurde. Wenn die Straßen im London des frühen 19. Jahrhunderts auch nur annähernd im selben Zustand waren wie die im Ruhrgebiet des 21. Jahrhunderts, dann wäre das auch nicht weiter erstaunlich...

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  6. Jupp, ich lese ab und an Regency-Romane - und natürlich braucht ein Held eine Stirnlocke! :D Wie sonst sollte bei der Dame das Bedürfnis aufkommen, diese Locke mit ihren zarten Fingern aus seiner Stirn zu streicheln? ;)

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