Sonntag, 16. Januar 2011

Ich kann nicht anders: WTF??

Man soll sich ja kein Urteil erlauben über Bücher, die man nicht gelesen hat, aber als ich heute meinen zur täglichen Internetroutine gehörenden Ausflug zu AAR gemacht habe, um die neuesten Rezensionen zu lesen, wären meine Augenbrauen vor lauter Staunen und Entsetzen beinahe wieder an meinen Hinterkopf gewandert, wären nicht glücklicherweise meine Haare im Weg gewesen.

Ich beziehe mich natürlich auf die (mit der Note B endende) Rezension des Buches Scandal of the Season von Christie Kelly.

Ich habe bisher noch kein Buch von dieser Autorin gelesen, daher ist es durchaus möglich, daß sie einen einzigartig mitreißenden Schreibstil hat und ihre Charaktere liebenswert und unvergeßlich sind.

Aber, oh mein Gott, bei mir schrillten schon bei der Beschreibung der Handlung alle Alarmglocken. Außer dem schönen amerikanischen Ausdruck "WTF??!!" fällt mir dazu wirklich nicht viel ein...oder doch:

- Hat Frau Kelly vielleicht eine Wette mit ihrem Agenten verloren und war dadurch gezwungen, jedes dem Liebesroman-lesenden Anteil der Menschheit bekannte Klischee sowie die Top Ten der schwachsinnigsten und ausgelutschtesten Handlungselemente der letzten 20 Jahre romantischer Literatur in ihrem neuesten Werk unterzubringen?

- Es gibt ein paar Regency-Liebesromane, in denen die Helden aristokratische Spione sind und die ich wirklich mag. Aber ich bin mir ziemlich sicher, daß das ein ganz schöner Unfug ist. Nun habe ich ja nie eine Universität von innen gesehen und habe meine geschichtlichen Kenntnisse hauptsächlich aus Büchern und aus dem Fernsehen - also aus nicht vollkommen vertrauenswürdigen Quellen. Ich denke aber, daß Spione zu der Zeit (James Bond war ja noch nicht erfunden) als unehrenhaft galten. Also keine passende Beschäftigung für einen Edelmann.

- Ich habe ja gar nichts gegen ein wenig Unfug und die eine oder andere Implausibilität (gibt es das Wort?) in meinen Büchern. Aber hier wäre weniger mehr gewesen. Es geht nämlich noch doofer: die liebe Mama des Helden arbeitet als Puffmutter (okay...ist ja auch viel netter als als Gattin eines Adligen den ganzen Tag die Füße hochzulegen und sich bedienen zu lassen, oder?) und als wäre das noch nicht genug, hat er sich offenbar auch noch mit dieser Tatsache abgefunden. Ja ne, ist klar.

- Und jetzt kommt die absolute Krönung, das Handlungselement, das mich schwören ließ, mich niemals auch nur im selben Raum wie dieses Buch aufzuhalten: die Heldin leitet ein Waisenhaus. Das sie durch Taschendiebstahl finanziert!! Was haben die Leute damals in ihren Taschen herumgetragen? Den Hope-Diamanten? Das Bernsteinzimmer? Geheime Rezepte zur Goldherstellung? Oder gar Tupperschüsseln mit 10 Pfund Porridge?

- Übrigens braucht der Held auch unbedingt eine Mätresse, um zu einer bestimmten Party eingeladen zu werden. Können wir bitte ein Moratorium für dieses abgefuckteste aller Handlungselemente vereinbaren? Hallo, RWA?

Wenn die Handlung von "Scandal of the Season" tatsächlich so ist, wie es die AAR-Rezensentin beschreibt, kann es sich bei diesem Buch nur um eine Verschwörung handeln, gegen die alles, was Illuminaten, Templer und Antihippokraten jemals erdacht haben, so gefährlich wie eine Kindergeburtstags-Überraschungsparty wirkt. Ich nehme an, daß Außerirdische jeder Leserin des Buchs den letzten Rest ihrer durch diese grauenhafte Handlung aufgeweichten Intelligenz aussaugen und gegen die Menschheit einsetzen werden.

Man sollte Dan Brown Bescheid sagen. Er könnte ein Buch drüber schreiben.

8 Kommentare:

  1. Oh Gott, oh Gott … das klingt wirklich fürchterlich. Aber das ist gut so, denn so kommen wir in den Genuss dieses grandiosen Artikels von dir! *kicher*

    Übrigens hab ich nie drüber nachgedacht, dass Spione damals schlecht angesehen sein könnten. In vielen Fällen wurden ja Adlige als Spione eingesetzt, die keine Erben waren und deshalb zur Armee gingen – ich wär glatt davon ausgegangen, dass die per se ein gutes Ansehen hatten.

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  2. Da Diplomaten eigentlich immer aus adeligen Kreisen kamen - und Diplomatie und Spionage eng miteinander verknüpft sind, gehe ich mal davon aus, dass adelige Spione schon recht üblich waren.

    Ansonsten erinnern mich deine Angaben über den Inhalt gerade an eine Romanfigur (und wenn ich jetzt meine Krimis bei der Hand hätte, käme mir auch wieder die Erinnerung an die Autorin und den Namen der Figur *argh*). Diese Frau hatte - weil sie sich so über das Genre aufgeregt hatte - eine Parodie auf Liebesromane geschrieben und mit diesem "Liebesroman" auf Anhieb nicht nur einen Verlag gefunden, sondern auch einen Bestseller gelandet. Wer weiß, ob in diesem Handlungshintergrund nicht ein Funken Wahrheit steckt. ;)

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  3. Tja, wenn man das ganze als Parodie betrachtet, ist das natürlich wieder was ganz anderes ;-)

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  4. Gib ruhig zu, dass du das Buch unter diesem Gesichtspunkt sofort lesen musst. ;D

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  5. Har. Das tu ich mir nicht an...aber du! Du bist doch sicher bald mit Joanna und Orla und ihren, sagen wir, exzentrischen irischen Landsleuten fertig?? Wie wär's...?

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  6. Oh, also ... eigentlich wollte ich mir nach Jo und Orla eine kleine Pause gönnen. Natürlich nur, damit meine Leserinnen mal wieder vom Whiskey wegkommen! ;)

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  7. Ach, wir könnten zu diesem Buch doch was anderes trinken. Eierlikör oder so.

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  8. Eierlikör?! Na, das ist ja noch ein Argument dagegen! :D

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