Dienstag, 3. August 2010

Jennifer Benkau: Nybbas Träume

Joana Sievers ist eine junge Frau, die viel Schlimmes erlebt hat, einiges davon selbstverschuldet. Albträume machen ihr zu schaffen, und sie vegetiert eher vor sich hin, als daß sie lebt. Eines Tages lernt sie einen faszinierenden Mann kennen, der sie durch seine Arroganz und sein Machogehabe abstößt, aber zu dem sie sich dennoch hingezogen fühlt, weil er sie mit allen ihren Problemen so nimmt, wie sie ist, ohne ein Urteil zu fällen. Mit Nicholas Nyrr, dem Nybbas (was denn?! Ist immer noch besser, als wenn er "Zhorn" oder "Wuht" oder "Mhächtig Angepihsst" hieße!) scheint jedoch etwas nicht zu stimmen, und auch Joanas Tante verhält sich plötzlich mehr als seltsam und versucht, ihr weiszumachen, daß die Welt voller Dämonen sei...

Das Buch habe ich vom Sieben Verlag bekommen und möchte mich dafür ganz herzlich bedanken! Ich war zuerst mißtrauisch bei dem Gedanken, ein Buch zu lesen, dessen Held ein Dämon ist. Ich hatte da immer so ein geiferndes, grünliches, röchelndes, sabberndes Etwas mit Hörnern und knorpeligen langen Fingern vor Augen (ich schätze, so ein Ding muß ich mal in einem Horrorfilm gesehen haben). Dankenswerterweise hat die Autorin ihren Helden mit einem blendend aussehenden menschlichen Wirtskörper und einer eher etwas vage beschriebenen und nicht allzu widerwärtigen Dämonengestalt ausgestattet.

Das Buch ist gut geschrieben und unterhaltsam, und die Erklärung, warum eine menschliche Frau und ein Dämon eine Beziehung haben können, ist wirklich plausibel, sofern man sich auf die Fantasie einläßt, es gäbe Dämonen: der Nybbas ist eigentlich weder gut noch böse, er ist einfach so wie er ist. Er ernährt sich von den Gefühlen von Menschen, was diesen gar nicht gut bekommt - aber das macht er nicht aus Gehässigkeit, sondern weil es seiner Natur entspricht: etwa so wie Löwen Antilopen reißen und Gymnasiallehrer uncoole Cordhosen und -jacken tragen (na ja, in den 80er Jahren taten sie das jedenfalls). Das heißt aber mitnichten, daß der Nybbas ein Weichei ist: das zeigt schon die absolut brillante erste Szene des Buches. Auch später, als er und Joana schon ein Paar sind, macht er ihr keine Versprechungen, sich zu ändern, oder gar ihre Freunde und Bekannten zu verschonen. Da muß ich sagen: Respekt. Weichgespülte Vampire und sonstige übernatürliche Kreaturen, die nach dem Finden der Traumfrau so gefährlich und aufregend wie Mainzelmännchen sind oder sogar in der Sonne glitzern, gibt es ja nun wirklich schon mehr als genug im Bereich der Paranormal-Bücher.

Joana ist ein bißchen schwerer zu verstehen, aber sie hat doch immerhin trotz all ihrer Probleme ein gesundes Selbstbewußtsein. Sie neigt zu sehr impulsiven Handlungen, aber als TSTL würde ich sie eigentlich nicht bezeichnen. Meistens merkt sie es auch selbst, wenn sie etwas falsch gemacht hat, obwohl es dann manchmal schon zu spät ist.

Ein paar kleine Kritikpunkte hätte ich dann aber doch.

Etwas gestört hat mich, daß der Aufenthalt Joanas bei den Clerica - das ist ein Geheimbund - in der Geschichte ein wenig zu kurz kam. Dieser Geheimbund besteht aus nur sehr wenigen Personen, weil man das, was sie tun, nur dann lernen kann, wenn es einem quasi angeboren ist. Darüber hinaus nehmen diese Leute ihre Aufgaben sehr ernst. Trotzdem geben sie sich keine besondere Mühe, Joana auf ihre Seite zu ziehen oder ihr eine ordentliche Unterweisung zukommen zu lassen.

Warum Joana sich nach ihrer ersten Liebesnacht überhaupt noch mal mit Nicholas einläßt, habe ich auch nicht so ganz nachvollziehen können, denn das ganze ist ziemlich abtörnend:

"Ihr schwindelte und für einen Moment durchfuhr sie eine Verzweiflung, die ihr den Verstand nehmen wollte. Eine Welle plötzlicher Einsamkeit schwappte über sie hinweg und entriß ihr ein Aufschluchzen."

Hm. Müßte ich nicht haben. Aber Joana kann darüber hinwegsehen.

Dazu kommt, daß sich im letzten Drittel des Buches einige Wörter tummeln, die ihren Platz eigentlich nur im Bullshit Bingo haben dürften. Die folgende Stelle hat mich leider arg aus dem Erzählfluß gerissen; da haben sich Nicholas und Joana gerade ihre gegenseitige Zuneigung eingestanden und sind im Begriff, Sex zu haben. Plötzlich das:

"Dies ist der Point of no return", murmelte er an ihrem Handrücken und hauchte einen Kuß darauf."

Ich bin ja sowieso keine Freundin überflüssiger Anglizismen, aber in einer Liebes- oder Sexszene haben die nun wirklich überhaupt gar nichts zu suchen!

Insgesamt ist Nybbas Träume ein spannendes, unterhaltsames Buch mit etwas Verbesserungspotential - es dürfte auf jeden Fall interessant sein, die Fortsetzung zu lesen und zu sehen, was es mit dem "Federvieh" auf sich hat.

7 Kommentare:

  1. "Dies ist der Point of no return" ist super – ich glaub, mit dem Spruch werd ich meinen Mann demnächst des nachts mal überraschen! *g

    Ansonsten klingt das ja wirklich gut. Ich glaube, ich hatte irgendwo gelesen, dass der Dämon wahnsinnig böse ist … also, ZU böse. Das scheinst du aber ja nicht so empfunden zu haben.

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  2. Ich finde nicht, daß er zu böse ist; er ist einfach nur ganz konsequent so, wie er nun einmal ist, ohne sich in einen tofuessenden, Birkenstockschlappentragenden Die Grünen-Wähler zu verwandeln, nachdem er die Heldin trifft. Und er hat ein paar supergute Sprüche im Lauf des Buchs. Sein Dämonenchef allerdings, der ist RICHTIG böse. Pfui, ist der böse!

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  3. "Mhächtig Angepihsst" - *hievt sich mal vom Boden zurück in den Schreibtischstuhl, von dem sie vor Lachen gefallen ist*

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  4. help! Was ist -"TSTL"?
    Lg Natira

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  5. Hi Natira, TSTL = too stupid to live. Ein Zustand, der gerade bei Liebesromanheldinnen öfter auftritt, aber auch in anderen Genres nicht ganz ausgeschlossen ist!

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  6. Hallo Susi,

    über Umwege bin ich gerade auf deinen Blog gestoßen.

    Deine Rezi zu dem Buch ist echt der Brüller. Ein Glück sehen meine Kollegen mich gerade nicht, wie ich unter dem Tisch liege ;-)
    Aber zu einem deiner Kritikpunkte muss ich was sagen.
    Joana ist mir doch ziemlich ans Herz gewachsen und ich kann nicht zulassen, dass sie hier in ein falsches Licht gerückt wird ;-)
    Dass sie sich nach dieser von dir erwähnten Nacht noch auf Nicholas einlässt, liegt doch nur daran, dass Der Nybbas sich nicht wirklich zurückhalten konnte und einige von Joanas Emotionen genascht hat. Böse, böse, dieser Schuft!
    Aber nichtsdestotrotz eine tolle, amüsante Rezi.
    Ich warte jedenfalls schon händeringend auf den zweiten Teil!
    Liebe Grüße
    Kerstin
    (hm, irgendwie komme ich mit den Profilen nicht zurecht)

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  7. Hi Kerstin, schön, daß du in meinem Blog vorbeigeschaut hast :-) Mit Joana und dem Nybbas und seinem Vorsatz, Joanas Gefühle in Zukunft nicht mehr auszusaugen, hast du ja recht - aber sie wußte da doch noch gar nicht, daß er kein ganz normaler Mann ist und daß beim nächsten mal alles ganz anders wird!

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