Sonntag, 11. Juli 2010

Karen Hawkins: Lady in Red

London, Anfang des 19. Jahrhunderts: Marcus St. John, der Marquis von Treymount und als solcher das Oberhaupt seiner Familie, muß ein unbezahlbares Familienerbstück wiederfinden, das sein Bruder verloren hat. Es handelt sich um einen Ring, der seinem Besitzer angeblich dabei hilft, die Frau seines Lebens zu finden. Wenig später findet Marcus heraus, daß eine gewisse Honoria Baker-Sneed den Ring hat. Marcus ist bereit, ihr den Ring abzukaufen, doch Honorias Forderungen sind exorbitant: neben einer gewaltigen Summe Geldes will sie, daß Marcus hilft, ihre jüngere Schwester in die Gesellschaft einzuführen. Es kommt wie es kommen muß, und schon bald ist das Gefeilsche um den Ring nahezu vergessen, während Marcus und Honoria halbherzig versuchen, ihre gegenseitige Anziehungskraft zu ignorieren...

Tja. Eigentlich erübrigt sich jeder Kommentar zu diesem Buch, oder? Ich habe schon Dutzende von Büchern mit der gleichen oder einer ähnlichen Handlung gelesen, viele davon besser als dieses. Mit anderen Worten: Lady in Red ist ungefähr so originell wie der fünfmillionste Hamburger bei McDonald's. Wir haben wieder mal einen aristokratischen Macho-Helden, der natürlich viel attraktiver, sportlicher, maskuliner, reicher, sexier und ehrfurchtgebietender ist als alle seine Zeitgenossen, und der aus unerfindlichen Gründen wild entschlossen ist, sich auf keinen Fall zu verlieben; eine Heldin, die ihre zahlreichen verarmten Geschwister durchbringen muß, weil ihr nichtsnutziger Papa das Familienvermögen verjubelt hat; und unverschämte Dienstboten (diesmal ein diebischer Kutscher), die offenbar Humor in die Geschichte bringen sollen.

Erwähnte ich schon mal, daß ich das "dreistes Personal"-Handlungselement in Historicals im allgemeinen und in Regency-Romanen im Besonderen verabscheue? Wenn ich einen Kutscher hätte, würde ich mir von dem wohl kaum Vorschriften machen lassen, und ich würde mit Sicherheit erwarten, daß er meine Anweisungen befolgt. Und wenn ich ein Kutscher gewesen wäre in einer Zeit, als es Dinge wie Gewerkschaften, Berufsgenossenschaften, Arbeitsrecht oder auch nur Kündigungsfristen noch lange nicht gab, hätte ich doch wohl sehr gut aufgepaßt, daß ich gegenüber meinem Arbeitgeber keine dicke Lippe riskiere, denn sonst hätte ich mich sehr schnell in der großen Menge der Obdachlosen, Hungernden und Frierenden wiederfinden können.

Aber das nur nebenbei. Die Tatsache, daß sich Marcus und Honoria irgendwann in einer kompromittierenden Situation wiederfinden und heiraten müssen, dürfte wohl niemanden überraschen, und der Rest der Handlung ist genauso einfallsreich. Alles könnte ganz toll sein, aber weil Marcus ihr noch keine offizielle Liebeserklärung gemacht hat, fängt Honoria an, rumzuzicken, packt ihre Sachen und verläßt das Haus. Die oberen Zehntausend schauen in Marcus' Luxus-Stadtvilla vorbei, es gibt 'ne Mega-Party, Marcus kann Honoria überzeugen, daß er sie liebt, schluchz, wilde Knutscherei, Happy End.

Das einzig halbwegs neue, was das Buch bietet, sind die Fehler, die man im Verlag offenbar übersehen hat. Die gibt's zwar in anderen Büchern auch, aber eben nicht genau dieselben - und das ist immerhin schon mehr, als man über die Handlung und die Charaktere sagen kann. Die Tatsache, daß sich Marcus beim Anblick von Honoria ein Glas Bourbon wünscht, kann ich noch verkraften; immerhin war das Zeug ja schon erfunden, obschon ich mir nicht sicher bin, daß britische Aristokraten am Anfang des 19. Jahrhundert Whiskey aus Amerika zu trinken pflegten. Aber diese Szene fand ich schon sehr befremdlich. Marcus und Honoria begegnen sich an einem Vormittag in einem Museum und fangen an zu flirten. Dann plötzlich dies:

"He regarded her for a moment more, admiring the curve of her cheek in the moonlight, the way her gown curved over her breasts and hips."

Soso. Mondlicht. Am Vormittag. Durchaus möglich, glaube ich. Wenn es gerade Dezember ist und man sich in Lappland befindet. Warum wird man überhaupt Schriftstellerin, wenn man dann Bücher schreibt, die außer ein paar Fehlern nichts erfreuliches, originelles oder außergewöhnliches zu bieten haben? Oder ist Karen Hawkins etwa gar keine Person, sondern eine Software, die auf Knopfdruck die beliebtesten Liebesromanklischees vermengt und ein komplettes Buch ausspuckt?

2 Kommentare:

  1. "Warum wird man überhaupt Schriftstellerin, wenn man dann Bücher schreibt, die außer ein paar Fehlern nichts erfreuliches, originelles oder außergewöhnliches zu bieten haben?"

    Nun, wenn ich mir so manchen Schriftsteller angucken, dann geht es wohl vor allem darum, sagen zu könnne, dass man veröffentlichter Autor ist - und weniger um die Qualität einer Geschichte ...

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  2. Überflüssig zu erwähnen, dass ich noch diverse Bücher von Karen Hawkins im SuB habe, oder?! *kicher*

    In diesem Fall hab ich aber sogar Bücher der Autorin im RgB, im Regal gelesener Bücher – und fand sie sogar ganz nett. Mich stört aber – wenns nicht gar zu extrem wird – auch das dreiste Hauspersonal nicht, das dort definitiv ebenfalls vorhanden war. ;)

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